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Herzproblemen mit kühlem Kopf vorbeugen

Zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen gibt es im Prinzip zwei medikamentöse Strategien: das schlechte Cholesterin (LDL) senken oder das gute Cholesterin (HDL) erhöhen. Letztere hat allerdings eine unangenehme Nebenwirkung: Die Patienten bekommen einen hochroten Kopf. Jetzt haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim den Mechanismus dieses als Flushing bezeichneten Effekts aufgeklärt. Künftig könnte ein Flush-Hemmer entwickelt werden.

Cholesterin beeinflusst die Gesundheit von Herz und Blutgefäßen. In gängigen Therapien versucht man deshalb, den Spiegel des schlechten Cholesterins, des LDL-Cholesterins, im Blutplasma zu senken. Den umgekehrten Weg, nämlich die Konzentration des guten HDL-Cholesterins durch das Medikament Nikotinsäure zu erhöhen, nahmen Patienten bisher nur ungern auf sich. Das liegt daran, dass die Behandlung mit Nikotinsäure eine wenn auch ungefährliche, so doch unangenehme Nebenwirkung hat: Die Patienten bekommen einen hochroten Kopf. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun den Mechanismus dieses als Flushing bezeichneten Effekts aufgeklärt (siehe Journal of Clinical Investigation 2010, Band 120/8, Seite2910–2919. Zusammenfassung (abstract): www.jci.org/articles/view/42273). Künftig könnte daher die Entwicklung von „Flush-Hemmern“ und somit eine verbesserte Therapie möglich werden.

Die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen gilt – neben einer gesunden Lebensweise – als eine der wichtigen Präventionsmaßnahmen bei der Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen Als Schlüsselmolekül gilt dabei das Cholesterin. In aller Munde ist zumeist das LDL-Cholesterin. Dieses „schlechte“ Cholesterin gilt als einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen. Je höher die Plasmakonzentration des LDL-Cholesterins, desto höher ist das individuelle Risiko, Herzinfarkt, Schlaganfall oder periphere Gefäßerkrankungen zu erleiden. Umgekehrt gilt dies aber auch für das „gute“ Cholesterin. Je höher der Spiegel dieses HDL-Cholesterins, desto geringer ist das Erkrankungsrisiko. Deshalb verfolgt man in jüngster Zeit verstärkt die Strategie, die HDL-Plasmakonzentration medikamentös zu erhöhen. Als Hoffnungsträger gilt hierbei die Nikotinsäure.

„Das Hauptproblem bei der Behandlung mit Nikotinsäure – die im Übrigen nichts mit dem Nikotin im Tabak zu tun hat – liegt im Auftreten des Flushings“, sagt Stefan Offermanns, Direktor der Abteilung „Pharmakologie“ am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung. „Bereits kurze Zeit nach Einnahme von Nikotinsäure kommt es bis zu eineinhalb Stunden lang zu einer sehr starken Rötung des Gesichts und des Oberkörpers. Ursache dafür ist die Erweiterung von Blutgefäßen in der Haut.“ Zusammen mit einem starken Wärmegefühl und Brennen sind die Symptome zwar mit denen eines Sonnenbrands vergleichbar, ansonsten aber völlig ungefährlich. Trotzdem brechen Patienten die Therapie oftmals wegen dieser Symptome ab.

Es handelt sich beim „Flushing“-Phänomen um ein typisches pharmakologisches Problem: Erwünschte und unerwünschte Wirkungen treten parallel auf. Deshalb verfolgten die Bad Nauheimer Wissenschaftler das Ziel, die Mechanismen der gewünschten und vor allem der unerwünschten Wirkungen von Nikotinsäure zu verstehen. Zuvor schon war es Offermanns und seinen Mitarbeitern gelungen, einen spezifischen Rezeptor für Nikotinsäure zu identifizieren, der die erwünschten Wirkungen der Nikotinsäure vermittelt. Untersuchungen an Mäusen, in denen das Gen für diesen Rezeptor inaktiviert worden war, zeigten aber, dass der Rezeptor ebenfalls für die Nikotinsäure-induzierte Flushing-Reaktion verantwortlich ist. „Nun ist uns der Nachweis gelungen, dass der Rezeptor sowohl in den Hauptzellen der oberen Hautschicht, den so genannten Keratinozyten, vorhanden ist, als auch in Immunzellen dieser Hautschicht, den so genannten Langerhans-Zellen“, so Offermanns. Durch Untersuchung genetisch veränderter Mausstämme, bei denen der Rezeptor entweder in den Langerhans-Zellen oder in den Keratinozyten der oberen Hautschicht blockiert ist, konnten die Max-Planck-Forscher zeigen, dass die erste Phase der Flushing-Reaktion durch Aktivierung von Langerhans-Zellen ausgelöst wird. Die zweite länger andauernde Phase beruht dagegen auf einer Aktivierung von Keratinozyten. In den beiden Phasen werden durch die Aktivierung des Nikotinsäure-Rezeptors jeweils unterschiedliche Prostaglandine gebildet. „Durch Hemmung der Prostaglandin-Bildung oder durch Blockade der Prostaglandin-Rezeptoren in der Haut lässt sich das Flushing-Phänomen unterbinden, während die erwünschten Effekte der Nikotinsäure auf den Fettstoffwechsel dadurch unbeeinflusst bleiben.“

Offermanns ist sich sicher, dass nun mit diesen Befunden die Basis für neuartige Verfahren zur Hemmung der unerwünschten Flushing-Reaktion unter Nikotinsäuretherapie gelegt worden ist. Mittlerweile haben bereits mehrere pharmazeutische Unternehmen mit der Entwicklung neuartiger „Flush-Hemmer“ begonnen, die zu einer Verminderung der Prostaglandin-Bildung oder Prostaglandin-Wirkung führen. Wenn man diese zukünftig in Kombination mit Nikotinsäure verabreicht, lassen sich also jene unangenehmen Nebenwirkungen unterdrücken, die bisher für die mangelnde Akzeptanz beim Patienten verantwortlich waren.