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Haben Geflügelimpfungen in China das Vogelgrippevirus gestärkt?

Pflichtimpfungen von Geflügel in China könnten dazu beigetragen haben, dass sich ein besonders aggressiver Vogelgrippe-Virustyp entwickelt hat. Zu diesem Schluss kommen US-Forscher, die ihre Untersuchungsergebnisse im Fachblatt PNAS veröffentlicht haben.

Impfungen gegen die Vogelgrippe bei chinesischem Geflügel könnten einer US-amerikanischen Studie zufolge die derzeit gefährliche Viruslinie herangezüchtet haben. Die aktuelle Vogelgrippe-Welle in Südostasien werde zum Großteil von einer Linie des Erregers H5N1/Asia verursacht, die erstmals im März 2005 in China vorgefunden worden war, berichtet die Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences in einer Online-Vorabveröffentlichung. Dieser Erreger sei seit Oktober 2005 für die meisten Vogelgrippe-Erkrankungen in der Region verantwortlich und habe inzwischen einen Großteil anderer Vogelgrippe-Viruslinien in der Region verdrängt. Zahlreiche Vögel in Laos, Malaysia und Thailand seien bereits infiziert, und in China und Thailand seien außerdem auch Menschen an diesem Virustyp erkrankt. Die rasante Ausbreitung des Erregers weise darauf hin, dass die Maßnahmen zur Überwachung und Eindämmung der Seuche in China nur schlecht funktionierten. Insofern sei zu befürchten, dass sich diese Viruslinie in ganz Asien und auch in Europa durchsetze.

Für ihre Studie haben die Forscher um Robert Webster vom „St. Jude Childrens Research Hospital“ in Memphis (US-Bundesstaat Tennessee) von Juli 2005 bis Juni 2006 Gänse, Hühner und anderes Geflügel auf Märkten in sechs chinesischen Provinzen untersucht. Von mehr als 53.000 Vögeln trugen knapp 1.300 Tiere ein H5N1-Virus in sich, am häufigsten waren Gänse und Enten betroffen. In einem nächsten Schritt analysierte das Forscherteam das Erbgut bei jedem dritten gefundenen Vogelgrippevirus. Das Ergebnis: Fast zwei Drittel der Erreger gehörten der neuen Linie an.

Obwohl der genaue Entstehungsmechanismus der neuen Viruslinie immer noch unklar sei, liege es nahe, einen Zusammenhang mit den Pflichtimpfungen von Geflügel in China zu vermuten. Solche Geflügelimpfungen sind seit September 2005 in China durchgeführt worden. Offensichtlich seien die benutzten Impf-Sera aber nicht gegen die neue Vogelgrippe-Viruslinie wirksam, schreibt Webster. So hatten von 76 geimpften Hühnern in der Untersuchung 55 keine oder nur wenige wirksame Antikörper gegen die neue Viruslinie entwickelt. Das bedeutet, das Immunsystem geimpfter Tiere könne zwar einige Vogelgrippe-Erreger abwehren, gegen die neue Viruslinie allerdings nicht viel ausrichten. Somit habe dieser Virustyp praktisch freie Hand, sich weiter auszubreiten, wenn man nichts dagegen unternehme.

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences, Online-Vorabveröffentlichung am 30.10.06 (DOI: 10.1073/pnas.0608157103)
Zusammenfassung (abstract)