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Gemeinsamer Behandlungsansatz für zwei unterschiedliche Lungenkrankheiten

Ein Mukoviszidose-Medikament kann offenbar auch bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) helfen und eröffnet somit ein krankheitsübergreifendes Therapiekonzept.

Gemeinsamkeiten suchen, anstatt Unterschiede zu erforschen und abzugrenzen – diese Strategie kann auf dem Gebiet der Lungenerkrankungen erstaunliche neue Behandlungsmöglichkeiten erschließen. So waren dann auch mögliche gemeinsame Krankheitsmechanismen bei der häufigen Erbkrankheit Mukoviszidose, der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD und dem Lungenkrebs die Schwerpunkte des vierten internationalen Kongresses „Frontiers in Chronic and Malignant Airways Disease“ des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), der vom 25. bis 27. Juni in Heidelberg stattfand. „Die drei ausgewählten Erkrankungen werden traditionell von unterschiedlichen Fachdisziplinen der Medizin behandelt und erforscht. Doch inzwischen finden wir zunehmend Überschneidungen in den Krankheitsmechanismen. Das können wir nutzen, um schneller effektivere Therapien zu entwickeln – und die werden bei diesen Erkrankungen dringend benötigt“, erklärt Prof. Marcus Mall, Ärztlicher Direktor der Abteilung Translationale Pneumologie im Zentrum für Translationale Lungenforschung am Universitätsklinikum Heidelberg.

Eine solche Gemeinsamkeit, die einen neuen Therapieansatz eröffnet, liegt vor bei Mukoviszidose, der häufigsten angeborenen Lungenerkrankung mit tödlichem Verlauf, und COPD, hierzulande häufig die Folge langjährigen Zigarettenkonsums. An Mukoviszidose leiden in Deutschland rund 8.000, an COPD acht Millionen Menschen. Bei beiden Erkrankungen sind die Atemwege durch zähen Schleim verstopft, es kommt zu einer chronische Entzündung und Infektion, welche das Lungengewebe dauerhaft schädigt. Im fortgeschrittenen Stadium leiden die Patienten unter Atemnot und Sauerstoffmangel. Bei der Mukoviszidose kennt man die Ursache dieser Symptome: „Fehler im genetischen Bauplan des Cystis Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator-Proteins (CFTR) führen zu Funktionsstörungen an der Oberfläche der Atemwegsschleimhaut: Es gelangt zu wenig Salz und Wasser in das Sekret, der Schleim trocknet aus“, erläutert Prof. Richard Boucher von der University of North Carolina at Chapel Hill, USA.

Seit 2012 ist erstmals ein Medikament zugelassen, das direkt am Ursprung der genetischen Erkrankung ansetzt und das defekte Protein CFTR teilweise wieder aktiviert. Der Wirkstoff Ivacaftor wird als Tablette eingenommen und verbessert nachweislich die Lungenfunktion. Bisher hatte die Therapie aber ein Manko: Sie wirkt nur bei einer ganz bestimmten Veränderung des CFTR-Proteins (G551D) die nur bei rund drei Prozent der Patienten vorliegt. Doch nun könnte Ivacaftor einer deutlich größeren Gruppe von Lungenkranken zugutekommen: Aktuelle Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe von Prof. Steven Rowe an der University of Alabama at Birmingham, USA, haben gezeigt, dass CFTR durch Inhaltsstoffe des Zigarettenrauchs blockiert wird und dieser Krankheitsmechanismus auch bei der COPD und chronischen Bronchitis eine entscheidende Rolle spielt. „Es ist daher wahrscheinlich, und erste Tierversuche sprechen dafür, dass COPD-Patienten von einer Therapie mit Ivacaftor und möglicherweise anderen Medikamenten profitieren, die für Patienten mit Mukoviszidose entwickelt werden, um die Befeuchtung der Atemwege zu verbessern. Dies wäre ein völlig neuer Ansatz in der Therapie dieser Volkskrankheit, die bislang nur symptomatisch behandelt werden kann“, bekräftigt Mall. Studien an Mausmodellen für COPD sollen demnächst an mehreren Standorten des DZL, auch in Heidelberg, starten.

Ebenso relevant für beide Erkrankungen ist die Frage, welche Bakterien die Atemwege besiedeln, welchen Einfluss diese auf den Krankheitsverlauf nehmen und wie sich diese Besiedlung mit der Zeit verändert. Diese so genannte Mikrobiom-Forschung ist noch neu und ergab sich ursprünglich aus dem Ziel, die krankheitsfördernden Bakterien in der Lunge besser zu identifizieren und somit die Antibiotika-Therapie der häufigen Lungenentzündungen bei Patienten mit Mukoviszidose und COPD zu verbessern und genauer auf die beim einzelnen Patienten vorhandenen Keime auszurichten. Aktuelle Studien der Arbeitsgruppe von Prof. Stuart Elborn an der Queen’s University Belfast zeigen nun aber: Nicht alle Bakterien in der Lunge sind schlecht. Sind bestimmte Arten häufig vertreten, scheint die Erkrankung - sowohl was die fortschreitende Verschlechterung der Lungenfunktion, als auch was die Häufigkeiten der Lungenentzündungen betrifft - einen milderen Verlauf zu nehmen. Hieraus ergeben sich möglicherweise auch innovative Therapieansätze. Im nächsten Schritt werden Forscherteams des DZL zusammen mit internationalen Kooperationspartnern zunächst in Tiermodellen prüfen, ob die Transplantation dieser Bakterien das Fortschreiten der Lungenerkrankung bei Mukoviszidose und COPD verhindern kann. Ähnliche Ansätze gibt es bereits bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: Hier kann die Transplantation schützender Darmbakterien helfen, die in Mitleidenschaft gezogene Darmflora ins Gleichgewicht zu bringen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Kongresses war Lungenkrebs, welcher häufig in Zusammenhang mit der COPD steht und an dem in Deutschland jährlich mehr als 40.000 Menschen sterben. Hier arbeiten die Forscher des DZL intensiv daran, die genetischen Veränderungen der Tumorzellen aufzuspüren und zu charakterisieren, um so eine gezieltere Diagnostik und Therapie zu entwickeln. Eine entsprechende Studie läuft bereits an der Thoraxklinik des Universitätsklinikums Heidelberg in Kooperation mit anderen Standorten des DZL. Neue und effektivere Therapien werden dringend gebraucht, denn die Heilungschancen sind trotz umfassender Behandlung mit Operation, Chemotherapie und Bestrahlung weiterhin schlecht: Bisher leben nach fünf Jahren noch ca. 20 Prozent der Patienten, meistens hat der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose bereits gestreut.

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg