Claudia Lorena Castillo Sánchez, eine 30-jährige Mutter zweier Kinder aus Barcelona, war jahrelang mit schweren Atemwegsproblemen von Arzt zu Arzt gewandert. An der Universitätsklinik Barcelona wurde schließlich erkannt, dass ihre linke Hauptbronchie, die von der Gabelung der Luftröhre zum linken Lungenflügel führt, infolge einer schweren Tuberkuloseinfektion kollabiert war. Im März hatte sich der Zustand der gebürtigen Kolumbianerin so sehr verschlechtert, dass ein Eingriff unumgänglich wurde. Dabei verpflanzten ihr die Mediziner ein Stück maßgeschneiderte Luftröhre, das zuvor mit ihren körpereigenen Zellen besiedelt worden war, um eine Abstoßungsreaktion zu vermeiden. Damit wollten die Ärzte der jungen Frau den Verlust eines Lungenflügels ersparen. Die einzige konventionelle Option hätte nämlich in der Entfernung des gesamten linken Lungenflügels bestanden, was die Lebenserwartung und -qualität der Patientin gravierend reduziert hätte. Wie die Universitätsklinik Barcelona berichtet, ist die Patientin – mittlerweile vier Monate nach der Operation - bei guter Gesundheit. Sie könne wieder Treppen steigen, 500 Meter ohne Pause gehen und sich um ihre beiden Kinder kümmern.
Versuche, ein Stück Luftröhre zu transplantieren, waren bislang auf schwerwiegende Komplikationen wie lebensgefährliche Infektionen, tödliche Blutungen oder das Absterben des Transplantats gestoßen. Die Ärzte versuchten daher einen anderen Weg: Mediziner im italienischen Padua entfernten mit einem neuartigen Verfahren von einem sieben Zentimeter langen Stück Luftröhre alle Zellen des 51-jährigen Spenders, der an einer Hirnblutung gestorben war. Nach sechs Wochen war nur noch das Gerüst übrig. Dieses Gerüst besiedelten Mailänder Kollegen nun in einem neuartigen Bioreaktor mit Knorpelzellen, die Ärzte im britischen Bristol aus Knochenmarkstammzellen der Patientin gezüchtet hatten. Die Innenwand kleideten sie mit körpereigenen Epithelzellen aus einem gesunden Stück Luftröhre der Frau aus. Dieses maßgeschneiderte Implantat setzten die Ärzte in Barcelona im Juni schließlich der jungen Frau ein.
Bereits 10 Tage nach der Operation konnte Claudia Castillo die Klinik verlassen, nach 30 Tagen hatte das Implantat eine eigene Blutversorgung gebildet. Auch vier Monate nach dem Eingriff funktioniert das Implantat ohne Komplikationen - die Patientin habe weder Antikörper gegen das Spendergewebe gebildet, noch muss sie Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken. „Wir halten diese erste Erfahrung für einen medizinischen Meilenstein und hoffen, dass sie die Tür zu sicheren, maßgeschneiderten Luftwege-Transplantationen für Erwachsene und Kinder aufstößt“, schreiben die Ärzte im britischen Medizinjournal The Lancet (online-Vorabveröffentlichung vom 19.11.08).
„Die Möglichkeit, die Entfernung meines gesamten Lungenflügels zu umgehen und stattdessen nur meine kranke Bronchie mit Hilfe dieser Gewebezüchtungstechnik zu ersetzen, bedeutete für mich eine einmalige Chance, in ein normales Leben zurückzukehren“, erzählt die Patientin Castillo. „Am Anfang hatte ich Angst, weil ich die erste Patientin war, aber ich war zuversichtlich und vertraute den Ärzten. Jetzt genieße ich das Leben und bin sehr froh, dass meine Krankheit geheilt werden konnte.“ Auch der Chirurg Paolo Macchiarini, der die Operation in Barclona geleitet hat, sei ängstlich gewesen, wie er gegenüber der Süddeutschen Zeitung zugegeben hat. Er und seine Kollegen hätten „so was vorher ja nur bei Schweinen ausprobiert“.