Neuroendokrine Tumore (NET) kommen – neben im Magen-Darm-Bereich - vor allem in der Lunge vor. Forscherteams der Kölner Universität und Uniklinik Köln untersuchten gemeinsam mit Krebszentren aus der ganzen Welt zwei Untergruppen der Lunge (Nature, Online-Veröffentlichung am 13.7.15). Zum einen den „kleinzelligen Lungenkrebs“ (small cell lung cancer) und zum anderen das sogenannte Karzinoid der Lunge. Der kleinzellige Lungenkrebs stellt die aggressivste Variante von Bronchialkarzinomen dar, macht circa 15 Prozent aller Lungenkrebsdiagnosen aus und wird bei langjährigen, starken Rauchern beobachtet. Hier wachsen die bösartig veränderten Zellen sehr schnell und reagieren zwar zunächst sehr gut auf eine Chemotherapie. Trotzdem ist diese Erkrankung in den allermeisten Fällen unheilbar und führt schnell zum Tod. Die zweite untersuchte NET-Untergruppe - das Lungenkarzinoid - kommt nur bei rund zwei Prozent der Betroffenen vor, wächst eher langsam und bildet auch fast nie Metastasen aus.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Roman Thomas, Abteilung Translationale Genomik, wurden erstmalig die DNA-Sequenzen des kompletten Erbgutes von 110 kleinzelligen Lungentumoren untersucht. Durch die vollständige genomische Analyse gelang es den Wissenschaftlern, biologische Schlüsselprozesse aufzuklären und gemeinsame Muster in den Veränderungen des Erbgutes aufzuzeigen. So konnten in allen Fällen eine Inaktivierung der Gene RB1 und TP53 nachgewiesen werden, die für die Kontrolle des Zellwachstums verantwortlich sind. Darüber hinaus wurden zahlreiche neue Gene entdeckt, deren biologische Funktionen noch weitgehend unklar sind.
Im Vergleich dazu zeigte die genomische Analyse der Lungenkarzinoide zahlreiche Unterschiede, sowohl in ihrem feingeweblichen Aufbau als auch in ihrem biologischen Verhalten. Genveränderungen (Mutationen) in den Kontrollgenen RB1 und TP53 traten bei den Karzinoiden nur sehr selten auf. „Jedoch haben wir häufig Mutationen in einer anderen Gruppe von Genen gefunden, die eine Rolle bei der Zugänglichkeit der DNA für nachgeschaltete molekulare Prozesse spielen“, erläutert Prof. Dr. Reinhard Büttner, Leiter der Pathologie an der Uniklinik Köln und Co-Autor bei beiden Studien.
Die unterschiedlichen Studienergebnisse machen deutlich, dass Lungenkarzinoide keine frühen Vorläufer anderer neuroendokriner Tumore wie dem kleinzelligen Lungenkrebs sind, sondern durch unabhängige zelluläre Mechanismen entstehen. „Daher ist unser weiteres wissenschaftliches Interesse ganz klar auf die Entstehung und Evolution der verschiedenen Untergruppen des Lungenkrebses ausgerichtet“, erläutert Dr. Martin Peifer, Leiter der Arbeitsgruppe Computational Biology in der Abteilung Translationale Genomik und ebenfalls Co-Autor der beiden Studien.
„Unsere nächsten Schritte zum Verständnis der biologischen Rolle der genetischen Muster sind weitere Untersuchungen, um die Funktion auch der bisher weniger bekannten Gene in der Krebsentwicklung zu verstehen. Hierbei haben wir immer das Ziel, schnell eine individuelle Behandlung für die Patienten zu ermöglichen – auch im Sinne einer maßgeschneiderten Tumortherapie“, erklärt Prof. Thomas. Erwartungen hinsichtlich baldiger Durchbrüche dämpfte er jedoch: „Wir stehen erst am Anfang und müssen noch viel grundlegende Arbeit leisten, bis wir die Funktion dieser Gene in dem Tumor wirklich verstehen.“
Quelle: Uniklinik Köln