Vortrag von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Erika von Mutius, Oberärztin und Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der Ludwig Maximilians-Universität München und Leiterin des Instituts für Asthma- und Allergieprävention am Helmholtz Zentrum München, auf einer Pressekonferenz im Rahmen des DGP-Jahreskongresses 2019:
Asthma bronchiale ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter. Ungefähr jedes zehnte Kind in Deutschland ist im Schulalter betroffen. Die Krankheitslast für betroffene Kinder und ihre Familien ist hoch, da häufig langjährige Verläufe zu verzeichnen sind, die auch wiederholt zu Krankenhausaufnahmen führen können. Diese Erkrankung bedarf oft einer langjährigen täglichen inhalativen Therapie, die in der Regel die Beschwerden sehr gut lindern kann. Es gibt aber keine Heilung und auch keine wirksame Vorbeugung.
Wie bei vielen anderen chronischen Leiden ist das Asthma eine komplexe Erkrankung, bei der zahlreiche Faktoren zur Entstehung beitragen. Diese sind einerseits in der genetischen Veranlagung begründet, wobei aber die Bezüge lose sind und nicht jedes Kind, dessen Elternteil ein Asthma hat, auch daran erkranken muss. Vielmehr tritt Asthma in Familien auch in der weitläufigen Verwandtschaft gehäuft auf. Die Genetik allein bestimmt aber nicht das Krankheitsrisiko, sondern auch die Umwelt, in welcher ein Kind aufwächst. Eine wichtige Rolle in der Krankheitsentstehung spielt die Schadstoffbelastung durch mütterliches Rauchen in der Schwangerschaft und auch durch Passivrauchen in der Familie nach der Geburt. Auch sind Luftschadstoffe aus der Umwelt an der
Auslösung von Asthmaattacken ursächlich beteiligt. Andere Umweltfaktoren liegen im Bereich von Krankhaftem Übergewicht (Adipositas), Bewegungsmangel, Ernährung und Schimmelbelastung in der Wohnung. Es gibt aber auch schützende Lebensumstände, wie sie zum Beispiel auf traditionellen Bauernhöfen mit Kontakt zu Nutztieren und Konsum von nicht verarbeiteter Kuhmilch auftreten.
Asthma hat viele Erscheinungsformen und wahrscheinlich ebenso viele Wurzeln. Bei manchen Kindern treten Beschwerden schon im ersten Lebensjahr auf und begleiten sie fortan bis ins Erwachsenenalter. Bei manchen Kindern verschwinden die Beschwerden bereits im Schulalter und bei manchen in der Pubertät. Andere wiederum entwickeln Asthmabeschwerden im Rahmen einer Pollenexposition bei Heuschnupfen. Wiederum andere – häufiger Mädchen als Buben – entwickeln erst nach der Pubertät Asthma. Die Forschung im Deutschen Zentrum für Lungenforschung zielt darauf ab, die Gründe für diese verschiedenen Verläufe zu verstehen und aufzudecken. In der groß angelegten ALLIANCE-Kohorte werden Patienten mit Asthma sehr genau auf eine Vielzahl von klinischen Parametern untersucht und der Verlauf ihrer Erkrankung sorgfältig aufgezeichnet. Davon erhoffen wir uns ein besseres Verständnis von Asthma, welches dann in der Zukunft zu besseren Behandlungsmöglichkeiten führen kann. Wir sehen ja bereits bei erwachsenen Patienten, dass neue Medikamente, die gezielt gegen bestimmte Entzündungsvorgänge eingesetzt werden, besonders bei Patienten mit einer schweren Form der Erkrankung zu einer Linderung führen können. Derzeit ist noch unklar, ob solche Medikamente auch bei Kindern eingesetzt werden können. Sie zeigen aber den Weg auf, wie in Zukunft neue Therapien entwickelt werden können.
Eine große Herausforderung bleibt die Prävention der Erkrankung. Außer der Vermeidung der oben genannten Risikofaktoren haben wir im Moment keine guten Vorbeugemaßnahmen. In München und Regensburg erproben wir derzeit einen neuen Ansatz, der auf den Beobachtungen aus den Bauernstudien beruht. In der MARTHA-Studie kommt eine Milch zum Einsatz, die minimal behandelt, aber mikrobiologisch sicher ist, und wird auf ihr Potenzial, Asthma und Allergien zu verhindern, getestet.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)