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Eine nicht-invasive Beatmung ist der invasiven Beatmung aus mehreren Gründen vorzuziehen

Seltenere Atemwegsinfekte, mehr Lebensqualität und eine höhere Lebenserwartung sind die eindeutigen Vorteile der nicht-invasiven Beatmung über eine abnehmbare Mund-Nasen-Maske gegenüber der invasiven Beatmung über einen Luftröhrenschnitt. Deshalb plädieren die Lungenärzte dafür, Patienten wann immer möglich auf die nicht-invasive Beatmung umzustellen.

Mehr als 30.000 Patienten werden derzeit hierzulande invasiv über einen Luftröhrenschnitt (Tracheostoma) mit Kanüle beatmet, was mit einer sehr kostenintensiven, ambulanten Intensivpflege von circa 2-4 Milliarden Euro pro Jahr verbunden ist. Viele der Betroffenen werden dabei unnötigerweise (d.h. ohne medizinische Indikation) invasiv beatmet. Das kritisieren die Lungenärzte des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK), der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und des Bundesverbands der Pneumologen (BdP) gemeinsam mit der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB e.V.) und plädieren dafür, Patienten wann immer möglich auf die nicht-invasive Beatmung über eine Mund-Nasen-Maske umzustellen. „Die extreme Zunahme der Fälle invasiver Beatmung in den letzten zehn Jahren ist ganz überwiegend auf ein Versagen der Beatmungsentwöhnung nach Akut-Intensivtherapie zurückzuführen“, erläutert Dr. med. Thomas Voshaar, Vorsitzender des VPK und Chefarzt des Lungenzentrums am Krankenhaus Bethanien Moers. Die Betroffenen werden nach einer Intensivbehandlung, bei der sie auch invasiv beatmet werden mussten, nicht erfolgreich vom Beatmungsgerät entwöhnt und deshalb nach der Entlassung aus der Akut-Intensivstation überwiegend in so genannten Intensiv-Pflegewohngemeinschaften weiterbehandelt, deren Versorgungskosten die gesetzlichen Krankenkassen tragen. „Stattdessen könnten viele (schätzungsweise 60 Prozent) dieser Patienten durch eine Umstellung auf die nicht-invasive Beatmung über eine Mund-Nasen-Maske erfolgreich von der invasiven Beatmung entwöhnt und somit auch nach Hause entlassen werden, wo sie die Maskenbeatmung autonom und überwiegend nachts fortführen können“, betont Dr. Simone Rosseau, zweite Vorsitzende der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB e.V) und Ärztliche Leiterin im Brandenburger Lungen- und Beatmungszentrum der Ernst von Bergmann Klinikgruppe, Potsdam/Bad Belzig.

Prognose günstiger, wenn Luftröhrenschnitt verschlossen wird
Zur Begründung, warum Patienten nach einer invasiven Langzeitbeatmung auf der Intensivstation ohne Beatmungsentwöhnung, aber mit verbleibendem Tracheostoma und einer noch liegenden Luftröhrenkanüle direkt in eine 24-stündige Intensivpflege entlassen werden, wird meist eine Schluckstörung des Patienten oder eine Bewusstseinsstörung mit Aspirationsgefahr (Einatmen von Speicheltröpfchen) angeführt. „Dabei werden Schluckstörungen durch Luftröhrenkanülen zusätzlich gefördert, selbst nach Blockung der Kanüle (sog. Cuff) kann noch Speichel in die Luftröhre eindringen. Aufgrund des Luftröhrenschnittes können die Patienten aber nicht selber abhusten, so dass ihnen vermehrt Atemwegsinfektionen drohen. Für die Prognose vieler Patienten ist es also sehr viel günstiger, wenn die Luftröhrenkanüle entfernt und der Luftröhrenschnitt verschlossen würde“, bekräftigt Dr. Simone Rosseau.

Maskenbeatmung mit erheblichen Vorteilen für die Patienten verbunden
Da die Sprech-, Schluck-, und Hustenfunktion bei der nicht-invasiven Beatmung über eine abnehmbare Mund-Nasen-Maske erhalten bleiben, ist die Maskenbeatmung mit nachweislichen Vorteilen für die Patienten verbunden - wie erheblich selteneren Atemwegsinfekten, mehr Lebensqualität und einer höheren Lebenserwartung. „Deshalb ist seit Einführung der nicht-invasiven Beatmung Ende der 80er Jahre die Indikation zur Maskenbeatmung erheblich ausgeweitet worden - auf alle Erkrankungen mit Atempumpenüberlastung und einem damit einhergehenden, erhöhten Kohlendioxidgehalt im Blut (sog. Hyperkapnie), wie z.B. COPD, Thoraxrestriktionen oder Adipositas“, erklärt Dr. Andreas Hellmann, Vorsitzender des BdP und praktizierender Pneumologe in einer Gemeinschaftspraxis für Lungen- und Bronchialheilkunde in Augsburg. „Demgegenüber ist eine invasive Beatmung über Kanüle nur noch bei sehr wenigen Indikationen erforderlich, z.B. wenn eine Maskenbeatmung bei schwergradiger Atmungsschwäche definitiv nicht möglich ist oder ein ständig lebensbedrohliches Atemversagen vorliegt, das einen durchgehend kontrollierten Beatmungsmodus verlangt“, bekräftigt Prof. Dr. med. Berthold Jany, Präsident der DGP und Chefarzt der Abteilung Innere Medizin der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg.

Telemedizinisches Netzwerk der Lungenärzte soll Versorgung der Patienten verbessern
Zur Beatmungsentwöhnung (Weaning) und Umstellung der Patienten auf die nicht-invasive Beatmung wie auch zur Beurteilung des grundsätzlichen Weaningpotenzials Betroffener sind spezielle, multiprofessionelle Kenntnisse und Behandlungstechniken erforderlich, wie sie z.B. spezialisierte Weaningzentren bieten. „Auch Schluckstörungen und Muskelschwäche, die nach einer Intensivbehandlung relativ häufig auftreten, können durch multimodale Therapieprogramme in solchen Weaningzentren erfolgreich behandelt werden. Somit lassen sich Luftröhrenkanülen auch in schwierigen Fällen entfernen, also tatsächlich viel mehr Patienten als bisher vom Beatmungsgerät entwöhnen und letztendlich nach Hause entlassen“, erklärt Dr. Simone Rosseau. Die Lungenärzte wollen deshalb gemeinsam mit weiteren medizinischen Fachverbänden und möglichst in Zusammenarbeit mit Akut-Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Hausärzten, Intensiv-Pflegediensten, Leistungsträgern und Medizinischem Dienst ein multiprofessionell aufgestelltes, telemedizinisches Netzwerk aufbauen, sodass in jeder Region Experten aus spezialisierten Zentren einbezogen werden können, um die Versorgung der Patienten zu verbessern und deren Betreuung durch spezialisierte Ärzte und Therapeuten sicherzustellen.

Quelle: Positionspapier zur aufwendigen häuslichen Krankenpflege bei tracheotomierten Patienten mit und ohne Beatmung (sogenannte ambulante Intensivpflege), Juni 2016.
Herausgeber (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Bundesverband der Pneumologen (BdP)
  • Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin e.V. (DGNI)
  • Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)
  • Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB)
  • Verband pneumologischer Kliniken (VPK)