Lange Zeit dachte man, die Atemnot, unter der Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD ) leiden, beruhe ausschließlich auf einer Schädigung ihrer Lungen, wie sie durch jahrelangen Zigarettenkonsum verursacht werden kann. In den letzten Jahren gab es aber immer mehr Hinweise darauf, dass COPD nicht nur eine Lungenerkrankung ist. Vielmehr treten in fortgeschrittenen Stadien weitere Beschwerden auf, die darauf hindeuten, dass es sich bei COPD um eine so genannte Systemerkrankung handelt, die viele verschiedene Organe des Körpers betreffen kann. Insbesondere ist auch die Beinmuskulatur betroffen, wie britische Forscher um Dr. Michael Steiner vom „Glenfield Hospital“ in Leicester jetzt aufgezeigt haben. Das Forscherteam untersuchte bei 18 COPD-Patienten und 8 gesunden Studienteilnehmern des gleichen Alters, wie ihre Skelettmuskeln auf körperliche Anstrengung reagieren. Dazu entnahmen sie ihnen Gewebeproben aus dem Oberschenkelmuskel – und zwar einmal vor und einmal nach einer 5-minütigen Trainingsphase auf dem Fahrradergometer, während der sich die Studienteilnehmer bis zu 80% ihrer persönlichen Leistungskraft verausgaben sollten. Nach Angaben der Wissenschaftler entspreche dies einem eher gemäßigten Anstrengungslevel, wie er bei vielen alltäglichen Aktivitäten (Treppensteigen, Putzen etc.) aufkommt. Danach wurden die in den Gewebsproben jeweils vorhandenen Mengen an bestimmten chemischen Bausteinen (ATP und IMP) bestimmt, die zur Energieübertragung im Stoffwechsel dienen und sich daher während eines Energie verbrauchenden, körperlichen Trainings verändern.
Obwohl der Anstrengungsgrad, den die COPD-Patienten bei ihrem Training erreichten, etwa zwei bis drei mal niedriger war als bei den gesunden Probanden, fiel der Energieverbrauch (gemessen als „ATP-Verlust“) in beiden Gruppen gleich groß aus. „Hier liegt also ganz eindeutig ein wichtiges funktionelles Problem vor, das ich als metabolischen Stress, also Stoffwechsel-Stress bezeichnen möchte“, erklärt Studienleiter Steiner. „Offensichtlich ist bei COPD-Patienten die Fähigkeit zur Bildung und Übertragung von Energie beeinträchtigt. Damit ist für sie jede körperliche Anstrengung erschwert - nicht nur weil es ihnen aufgrund ihrer geschädigten Lungen an frischem Sauerstoff im Blut fehlt, sondern auch weil die Energieübertragung in den Muskelzellen offenbar nicht richtig funktioniert. Sobald wir besser verstehen, was sich dabei genauer in den Muskelzellen abspielt, werden wir die zugrundeliegende Missfunktion möglicherweise beheben können und damit die körperlichen Einschränkungen von COPD-Patienten vermindern und ihre physische Leistungsfähigkeit steigern“, hofft Steiner.
Quelle: Thorax (2005), Vol. 60, Seite 932-936; Zusammenfassung (abstract)