Tuberkulose (Tb) ist die weltweit häufigste tödliche Infektionskrankheit. Vermutlich ist etwa ein Drittel der Menschen weltweit mit dem Erreger infiziert. Bei den meisten Betroffenen bricht die Tuberkulose aber nie aus. Pro Jahr erkranken 9 Millionen Menschen an Tb – ca. 1,5 Millionen sterben an den Folgen dieser Krankheit. Insbesondere die stark zunehmenden Antibiotikaresistenzen der Erreger sind dabei ein immenses Problem. Diese verlängern die Behandlungsdauer erheblich und verursachen hohe Kosten.
Der Nachweis von Tb-Erregern und die genaue Ermittlung von Antibiotikaresistenzen erfolgte bisher in Kulturverfahren. Diese Methode benötigt bis zu sechs Wochen, bis ein Ergebnis vorliegt. Wertvolle Zeit, die häufig eine effektive Behandlung verzögert. Zudem sind die Kulturverfahren relativ fehleranfällig. Sie müssen sehr präzise sein, um verlässliche und vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Solche optimalen Laborbedingungen sind jedoch insbesondere in Ländern mit hohen Tuberkuloseraten oft nicht vorhanden. Auch die in den letzten 20 Jahren eingesetzten molekulardiagnostischen Schnelltests können lediglich eine Aussage über eine begrenzte Anzahl von Genveränderungen (Mutationen) und die daraus resultierenden Resistenzen treffen.
„Wir wollten einen Schritt weitergehen und therapeutische Hinweise geben, welche Kombination von Antibiotika sich zur Behandlung eines bestimmten Erregers eignen“, fasst Prof. Stefan Niemann, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Mykobakteriologie am Forschungszentrum Borstel und Mitglied des Exzellenzclusters Entzündungsforschung, den Forschungsansatz zusammen. „Wir bewegen uns dazu von 130 Jahren Tb-Kultivierung zu einer neuen, digitalen Ära in der Mikrobiologie.“
Dazu untersuchte das Team mittels Gesamtgenomsequenzierung das Erbgut von rund 3500 Tb-Stämmen (siehe The Lancet Infectious Diseases, Online-Veröffentlichung am 23.6.15). Die Forscherinnen und Forscher konzentrierten sich dabei auf Veränderungen im Erbgut, die sie mit Antibiotikaresistenzen und -Empfindlichkeit in Verbindung bringen können. „Wir haben eine Art Lexikon für Mutationen im Erbgut der Tb-Erreger ermittelt“, erklärt Niemann. „Findet man Veränderungen im genetischen Code eines Erregers, sind bestimmte Medikamente nicht mehr wirksam und sollten daher nicht für die Therapie verwendet werden. Das ist ein enormer Fortschritt, insbesondere für die Behandlung von multiresistenten Erregern!“
Bis die Methode im praktischen Arbeitsalltag von Medizinerinnen und Medizinern angewendet werden kann, wird es allerdings noch etwas dauern. Dennoch habe die Methode großes Potential, meint Dr. Thomas Kohl, Zweitautor der Publikation: „Auf längere Sicht ist die Genomanalyse erheblich einfacher durchzuführen und kostengünstiger als konventionelle Verfahren. Vor allem im Hinblick auf die EndTB-Strategie der WHO, die vorsieht, dass die Tuberkulose bis zum Jahr 2035 erfolgreich eliminiert werden soll, sind diese neuen diagnostischen Ansätze von großer Bedeutung.“
Quelle: Exzellenzcluster Entzündungsforschung