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Doppel-Infektion macht Erreger aggressiver

Nach einer Infektion mit Grippe-Viren verläuft eine durch Pneumokokken verursachte Lungenentzündung stets besonders schwer, oft sogar tödlich. Die körpereigene Abwehr wird durch die Grippeviren offenbar geschwächt.

Das Bakterium Streptococcus pneumoniae, ein verbreiteter Auslöser von Lungenentzündungen, ist für Grippe-Patienten noch deutlich gefährlicher als für Gesunde. Nach einer „Doppel-Infektion“ mit Grippeviren und Streptococcus pneumoniae verläuft die Erkrankung stets besonders schwer, oft sogar tödlich. Dabei variieren die Abwehrreaktionen des Körpers auf das Bakterium sehr stark, je nach Bakterien-Stamm werden unterschiedliche Immunzellen und Botenstoffe aktiv. Das stellten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Otto-von-Guericke Universität (OVGU) Magdeburg gemeinsam mit Partnern in Schweden und Berlin bei Versuchen mit Mäusen fest (siehe Infection & Immunity, Online-Veröffentlichung am 19.9.2016). Ihre Erkenntnisse könnten die Möglichkeit eröffnen, Mehrfach-Infektionen dieser Art künftig zielgerichteter zu behandeln.

Der Grippe-Erreger, das Influenza A-Virus, löst in unregelmäßigen Abständen immer wieder weltweite Erkrankungswellen aus, die man als Pandemien bezeichnet. Die Folgen können verheerend sein: Bei der Grippe-Pandemie der Jahre 1918/19 etwa kamen Schätzungen zufolge zwischen 50 und 100 Millionen Menschen ums Leben. In vielen dieser Fälle war die Todesursache nicht das Grippevirus allein. „Man hat bei der nachträglichen Untersuchung von klinischem Material festgestellt, dass sich ein großer Anteil der Patienten zusätzlich mit Bakterien infiziert hatte“, berichtet Dunja Bruder, Leiterin der Arbeitsgruppe Immunregulation am HZI und Professorin für Infektionsimmunologie an der OVGU in Magdeburg. „Oft war es diese zweite, bakterielle Infektion, die zum Tod geführt hat.“ Während Viren aus vergleichsweise wenigen Molekül-Bausteinen bestehen und sich nur innerhalb von Wirtszellen vermehren können, sind Bakterien einzellige, selbstständig wachsende Lebewesen.

Zu den gefährlichen Bakterien, die eine durch Grippeviren geschwächte Lunge befallen können, zählt Streptococcus pneumoniae. Bakterien dieser Art werden auch Pneumokokken genannt. Sie lösen mitunter lebensbedrohliche Lungenentzündungen (Pneumonien) aus. „Es gibt fast 100 verschiedene Serotypen von Streptococcus pneumoniae“, erklärt die HZI-Wissenschaftlerin Dr. Sabine Stegemann-Koniszewski. „Das Spektrum reicht von harmlosen Stämmen, die den Nasen-Rachen-Raum besiedeln und kaum Symptome hervorrufen, bis zu so genannten hoch invasiven Varianten, die in das Lungengewebe eindringen und dort schwere Erkrankungen auslösen können.“

Gemeinsam mit Forschungspartnern am Karolinska-Institut in Stockholm und der FU Berlin stellte sich das Team um die HZI-Wissenschaftlerinnen Bruder und Stegemann-Koniszewski die Frage: Wie verhalten sich Pneumokokken-Stämme mit unterschiedlichen Ausbreitungseigenschaften, wenn sie auf einen bereits von Influenza-Viren infizierten Organismus treffen? Solche so genannten Ko-Infektionen oder Superinfektionen mit Influenza A und Streptococcus pneumoniae erforschten sie an Mäusen.

Ergebnis: Alle untersuchten Stämme des Bakteriums verhielten sich deutlich aggressiver, wenn sich im Wirt bereits kurz zuvor Grippeviren eingenistet hatten – auch ansonsten harmlosere Serotypen wurden dann zu tödlichen Killern. „Offenbar ist nach einer Grippeinfektion auch die körpereigene Abwehr gegen Bakterien geschwächt“, erklärt Dunja Bruder. „Dieser Effekt ist weitgehend unabhängig vom Pneumokokken-Stamm.“ Lag die Grippeinfektion jedoch schon länger zurück, waren es vor allem die hoch invasiven Pneumokokken-Stämme, die noch Probleme machten.

Große Unterschiede stellte man bei der Art der Entzündungsreaktionen fest, die das Immunsystem der Mäuse zur Abwehr der Erreger einleitete. „Wir fanden – je nach Pneumokokken-Stamm – unterschiedliche Konzentrationen verschiedener Botenstoffe, eine unterschiedliche Verteilung der wichtigsten Typen von Immunzellen in der Lunge und auch unterschiedliche Wege der Ausbreitung der Bakterien im Körper“, erläutert Niharika Sharma-Chawla, Erstautorin der Studie. So stieg etwa bei Ko-Infektionen mit bestimmten Streptococcus pneumoniae-Stämmen die Zahl der Neutrophilen in der Lunge – eines spezialisierten Immunzell-Typs, der unter anderem Bakterien bekämpft, aber auch das körpereigene Gewebe angreifen kann. Bei einem Stamm namens 19F nahm die Zahl der Neutrophilen nach einer Ko-Infektion dagegen ab.

Dies könnte für die Behandlung von Pneumokokken-Superinfektionen bei künftigen Grippewellen von Bedeutung sein: „Es ist häufig nicht ausreichend, Medikamente gegen die Influenza-Viren und die Bakterien zu kombinieren“, erklärt Dunja Bruder. „Man benötigt zusätzlich immunmodulierende Therapien. Sie verhindern, dass die Entzündungsreaktionen zu heftig ausfallen und dadurch den eigenen Körper schädigen. Gerade bei den untersuchten Ko-Infektionen stellen solche überschießenden Immunreaktionen eine erhebliche Gefährdung dar.“ Solche entzündungshemmenden Medikamente – so die Hoffnung der Wissenschaftlerinnen – könnte man in Zukunft zielgerichteter auswählen, wenn man sie auf den jeweils vorliegenden Bakterientyp abstimmt. „Dazu müssen die klinisch relevanten Pneumokokken-Stämme und ihr Verhalten bei einer Ko-Infektion mit Influenza allerdings noch wesentlich genauer charakterisiert werden“, betont Bruder.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung