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Die Achillesferse eines wichtigen Erregers von Lungenentzündungen entdeckt

Nur Bakterien mit intakter Zellwand können überleben und dem Immunsystem entkommen. Deshalb sind Enzyme der Zellwandbiosynthese hervorragende Angriffspunkte für eine antimikrobielle Therapie gegen Pneumokokken, die zu den gefährlichsten Erregern von Lungenentzündungen gehören.

Einen grundlegenden Mechanismus der Zellwandbiosynthese bei Pneumokokken, den wichtigsten bakteriellen Erregern von Lungenentzündungen, haben Forscher der Universität Greifswald und des Forschungszentrums Borstel entschlüsselt (siehe Nature Communications 2017, Band 8/2093). Ihre Ergebnisse stellen einen vielversprechenden Therapieansatz bei der Bekämpfung von Pneumokokken-Infektionen dar. 

Nahezu jeder Mensch muss sich im Laufe seines Lebens mit Pneumokokken (Streptococcus pneumo-niae) auseinandersetzen. Bakterien dieser Art besitzen die Fähigkeit die Schleimhäute des oberen Atmungstraktes symptomlos zu kolonisieren und gehören damit zur Normalflora des Menschen. Gefürchtet sind die durch Pneumokokken verursachten schwerwiegenden Infektionen. Zu diesen gehören zum Beispiel die außerhalb des Krankenhauses erworbenen und lebensbedrohlichen Lungenentzündungen (Pneumonien) oder Blutvergiftungen (Sepsis). Hiervon besonders betroffen sind Kinder im Alter von unter fünf Jahren sowie ältere oder immungeschwächte Menschen.

Obwohl Impfstoffe gegen Pneumokokken verfügbar sind, bleibt die Zahl der Neuerkrankungen seit Jahren auf einem stabil hohen Niveau. Dies liegt unter anderem an den derzeit eingesetzten Impfstoffen, die leider noch nicht gegen alle relevanten Pneumokokken-Stämme schützen. Erschwerend kommt hinzu, dass zunehmend Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika auftreten, die eine Behandlung von Infektionen deutlich erschweren. Pneumokokken gehören der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge derzeit zu den zwölf gefährlichsten Bakterien für die Menschheit.

Um neue und effektive Therapien gegen Pneumokokken-Infektionen zu entwickeln, müssen Schwachstellen des Erregers identifiziert werden, durch die die Virulenz und/oder Lebensfähigkeit des Erregers entscheidend verringert werden kann. Enzyme der Zellwandbiosynthese sind hervorragende Angriffspunkte („Targets“) für eine antimikrobielle Therapie, da nur Bakterien mit intakter Zellwand überleben und dem Immunsystem entkommen können.

Als ein solches Zielmolekül wurde jetzt die Lipoteichonsäure-Ligase (ein Schlüsselenzym der Teichonsäure-Biosynthese) identifiziert von zwei Wissenschaftlerteams unter der Leitung von Dr. Nicolas Gisch (aus der Forschungsgruppe Bioanalytische Chemie vom Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum) und Prof. Dr. Sven Hammerschmidt (Leiter der Abteilung Molekulare Genetik und Infektionsbiologie der Universität Greifswald). Teichonsäuren sind wichtige makromolekulare Zuckerbestandteile der Zellwand Gram-positiver Bakterien und bei Pneumokokken auch für die Verankerung von speziellen Oberflächenproteinen verantwortlich, die an der Kolonisierung und Virulenz des Erregers beteiligt sind.

Basierend auf der Strukturanalyse der Pneumokokken-Teichonsäuren mittels Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) und Massenspektrometrie (MS) konnten die Wissenschaftler neue Details ihrer Biosynthese sowie ihrer Verankerung auf der Zellwandoberfläche aufklären. Die Forscher identifizierten das finale Enzym der Lipoteichonsäure-Biosynthese der Pneumokokken, die Lipoteichonsäure-Ligase (TacL). Sie zeigen, dass das Fehlen des Enzyms TacL zu einem vollständigen Verlust der Lipoteichonsäuren in der Zellwand des Bakteriums führt. Die so generierten Pneumokokken-Stämme weisen nach Wachstum in Nährmedien unter Laborbedingungen eine unveränderte Zellmorphologie und Physiologie auf. „Überraschenderweise zeigten Pneumokokken, die keine Lipoteichonsäuren mehr herstellen konnten, eine deutlich reduzierte Anheftung an humane Epithelzellen in Zellkultur-basierten Infektionsexperimenten“, so Prof. Hammerschmidt. Darüber hinaus konnten die Forscher zeigen, dass Pneumokokken ohne Lipoteichonsäure eine deutlich verminderte Virulenz in verschiedenen in vivo Infektionsmodellen aufweisen.

„Die identifizierte Lipoteichonsäure-Ligase ist in allen Pneumokokken-Stämmen enthalten und in artverwandten Streptokokken sind ebenfalls verwandte Enzyme zu finden“, erklärt Dr. Nicolas Gisch vom Forschungszentrum Borstel. „Daher ist das Enzym TacL ein interessantes Ziel für die Suche nach geeigneten pharmakologischen Substanzen, die neue Therapiemöglichkeiten bei durch Pneumokokken verursachten Lungenentzündungen eröffnen.“

Quelle: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald