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Das schwächere Geschlecht

An einer Lungenentzündung erkranken Männer oft schwerer als Frauen und sterben auch häufiger daran. Über die möglichen Gründe dafür wurde kürzlich auf dem Kongress der American Thoracic Society in Toronto diskutiert.

Wenn männliche Patienten wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert werden, müssen sie doppelt so häufig wie weibliche Patienten auf die Intensivstation verlegt werden. Außerdem bekommen sie in den ersten acht Stunden nach der Krankenhausaufnahme bedeutend häufiger Antibiotika verschrieben als weibliche Patienten. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Michael Reade von der Universität Pittsburgh, nachdem sie 1.136 männliche und 1.047 weibliche Pneumonie-Patienten, die in den USA in 28 Kliniken behandelt wurden, miteinander verglichen haben. Insgesamt scheinen Männer an einer Lungenentzündung schwerer zu erkranken als Frauen und haben dann über längere Zeit hinweg auch ein größeres Risiko als weibliche Patienten, an der Erkrankung zu sterben. Und das selbst dann, wenn sie bereits eine aggressivere Therapie erhalten. Warum das so ist, weiß man noch nicht genau, aber eine Reihe von Erklärungsmöglichkeiten wurde kürzlich auf dem Kongress der American Thoracic Society in Toronto diskutiert.

Folgende Spekulationen wurden als plausibel bezeichnet: Offenbar suchen Frauen viel früher als Männer einen Arzt auf, wenn sie gesundheitliche Beschwerden haben. Daher hätten viele von ihnen auch schon Antibiotika eingenommen, bevor sie ins Krankenhaus eingeliefert werden. Demgegenüber scheinen Männer gegen auftretende Gesundheitsbeschwerden wenn überhaupt erst sehr viel später etwas zu unternehmen, gehen also seltener von sich aus zum Arzt und würden demzufolge dann letztendlich oft mit einem besonders schlechten Gesundheitszustand direkt in der Klinik landen. Es wird auch davon ausgegangen, dass Männer generell mehr unbehandelte Begleiterkrankungen haben und riskanter leben als Frauen - also beispielsweise mehr rauchen und Alkohol trinken - was ihre Immunabwehr zusätzlich schwächen dürfte. Dies alles seien Gründe, die gerechtfertigen, dass Ärzte Männern mit Lungenentzündung meist sofort eine aggressivere Therapie verschreiben als Frauen, um diesem Geschlechtsunterschied bei der Behandlung entsprechend gegensteuern zu können.

Reade und seine Kollegen haben dennoch nach weiteren Unterschieden zwischen den Geschlechtern gesucht und sind bei einzelnen Marker-Substanzen, die bei der Immunabwehr von Infekten eine große Rolle spielen, fündig geworden – wie zum Beispiel beim so genannten Tumor Nekrose Faktor und bestimmten Interleukinen. Diese werden je nach Geschlecht in typischen Mengen gebildet, die sich zwischen Männlein und Weiblein teils deutlich unterscheiden können. „Solche geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Immunantwort könnten zu den beobachteten Unterschieden beim Krankheitsverlauf von Lungenentzündungen beitragen und auch das unterschiedliche Sterberisiko von Männern und Frauen mit beeinflussen“, meint Reade. So werden viele Bestandteile der Immunabwehr unter anderem auch vom X-Chromosom gesteuert, das Frauen bekanntlich in doppelter Ausführung besitzen (XX), Männer hingegen (neben dem Y-Chromosom) nur eine einfache Version (XY). Daher könnten Frauen allein schon aus genetischen Gründen bei der Immunabwehr einen Vorteil gegenüber den Männern haben. Grundsätzlich sollten Reade’s Ansicht nach künftig auch Hausärzte diesen Geschlechtsunterschied stärker berücksichtigen und insbesondere die Pneumoniefälle des schwächeren Geschlechts so frühzeitig wie möglich in die Klinik überweisen. Möglicherweise müssten Männer in Zukunft grundsätzlich ganz anders als Frauen behandelt werden - das ist zumindest Reade’s Meinung, der offenbar große Hoffnungen auf neue Erkenntnisse aus der Gendermedizin setzt.