Solide Tumore, wie sie etwa bei Lungenkrebs aber auch bei Brust- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs auftreten, verfügen über eine Eigenschaft, die eine Heilung des Patienten erschwert: Sie verursachen eine Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppression), indem sie das Immunsystem aktiv daran hindern, gegen sie anzukämpfen. Dies ist der Grund, warum die Immuntherapie in der langfristigen Tumorbehandlung bislang immer noch an ihre Grenzen stößt. Prof. Dr. Hinrich Abken von der Universität zu Köln ist es mit seiner Forschungsgruppe nun gelungen, die sogenannten T-Zellen, die die Immunreaktion im Körper auslösen, so zu modifizieren, dass sie wesentlich widerstandsfähiger gegen die vom Tumor ausgelöste Immunsuppression sind (siehe Human Gene Therapy, Online-Vorabveröffentlichung am 15.8.17).
Bei der sogenannten „adoptiven Immuntherapie“, die neben der Chemotherapie heute eine gängige Methode zur Behandlung von Krebserkrankungen darstellt, werden die körpereigenen T-Zellen, die Immunreaktionen hervorrufen, gezielt gegen Tumorzellen gerichtet. Dies funktioniert durch das Anbringen einer speziellen Erkennungsstelle zum Aufspüren der Tumorzelle auf der T-Zelle: Dem sog. Chimären Antigenrezeptor (CAR), der auf der Oberfläche der T-Zelle angebracht wird, die Tumorzelle erkennt und daraufhin die T-Zelle aktiviert. Dazu wird dem Patienten Blut abgenommen, im Labor werden seine T-Zellen mit dem Erkennungsmolekül CAR ausgestattet. Anschließend werden ihm die T-Zellen zurückgegeben – die T-Zellen werden sozusagen vom Patienten „adoptiert“, wie Mediziner das nennen. Diese T-Zellen sind nun durch den CAR in der Lage, die Tumorzellen zu erkennen – die erste Voraussetzung einer jeden Immunreaktion ist damit erfüllt. Das Problem ist jedoch, dass viele solide Tumore die Immunantwort aktiv unterdrücken, weshalb diese Form der Tumorbehandlung bislang meist keine langfristigen Erfolge erzielt.
Um die Widerstandsfähigkeit der CAR-T-Zellen gegenüber der Tumor-vermittelten Suppression für die adoptive Zelltherapie solider Tumore zu verbessern, hat die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Hinrich Abken drei Strategien entwickelt, die es ermöglichen, Mechanismen außer Kraft zu setzen, die für die durch Tumore ausgelöste Immunsuppression verantwortlich sind. Ein wesentlicher Teil der Forschungsarbeit bestand dabei zunächst darin, diese Mechanismen und Abläufe zu verstehen, um anschließend Wege zu finden, sie auszuschalten.
Der erste Zusammenhang, den das Forscher-Team aufdecken konnte, hängt mit einem Molekül namens PD1 zusammen, das von den T-Zellen gebildet wird, sobald diese aktiviert werden. Dabei handelt sich um einen „inhibitorischen Rezeptor“, also um einen Hemmstoff der T-Zelle. Dieser bewirkt nach der Aktivierung, dass das Immunsystem wieder heruntergefahren wird – ein natürlicher, wichtiger Vorgang, um die Immunreaktion nach „getaner Arbeit“ wieder zu beenden. Im Fall einer aktiven Immunsuppression durch den Tumor ist es allerdings notwendig, die Aktivierung länger aufrechtzuerhalten, um eine effektive „Anti-Tumor-Immunreaktion“ zu ermöglichen.
Dies wird, wie die Wissenschaftler jetzt zeigen konnten, durch die Unterdrückung der PD1-Bildung der CAR-T-Zelle realisiert: „Die Immunsuppression wird dadurch hervorgerufen, dass die Tumorzelle den Liganden PD-L1 bildet, an den das Molekül PD-1 der aktivierten T-Zelle bindet. Durch diesen Vorgang wird die Immunantwort der T-Zelle unterdrückt. Uns ist es nun gelungen, einen Weg zu finden, die PD-1 Expression der T-Zellen zu unterdrücken, um die Immunsuppression zu unterbrechen“, erläutert Prof. Dr. Abken.
Wie PD1 ist auch CTLA-4 ein inhibitorischer Rezeptor, der die T-Zellen-Aktivität hemmt. Eine zweite Strategie, die das Forscher-Team der Universität Köln entwickeln konnte, ermöglicht es, auf diese zwei Inhibitoren gemeinsam einzuwirken und sie beide auf einmal zu hemmen. Denn die Signalwege von PD1 und CTLA-4 laufen an einem Knotenpunkt zusammen, so dass lediglich die Unterdrückung an diesem Integrationspunkt nötig ist, um beide zu supprimieren. Möglich wird dies durch die Minderung der Expression eines Enzyms, welches die Signalwege der beiden Rezeptoren integriert.
Die dritte Strategie der Forschungsgruppe bezieht sich auf die Suppression eines löslichen Faktors, des TGF-?1. „Dieser Faktor bereitet große Schwierigkeiten dadurch, dass er quasi im Tumor „schwimmt“, immer höhere Konzentrationen erreicht und sämtliche Reaktionen, die zu einer Immunaktivität führen würden, unterdrückt. Diese Eigenschaften erschweren es, gegen TGF-?1 vorzugehen“, erklärt Prof. Dr. Abken. Dennoch ist es ihm und seinem Team gelungen, einen bestimmten CAR zu entwickeln, der die T-Zelle widerstandsfähiger gegen die TGF-?1 Suppression macht. Nach aufwendiger Forschung haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass das Molekül CD28 der Schlüssel ist: Dieses kurbelt die Aktivität der Zelle an und unterstützt gleichzeitig die Freisetzung von Interleukin2 (IL-2), das zu einer Suppression der T-Zellen durch die Aktivierung sog. regulatorischer T-Zellen führt. Somit muss CD28 genetisch so modifiziert werden, dass es zwar die Zellen aktiviert, nicht aber die Ausschüttung des IL-2 verursacht. Derartig angepasste CAR-T-Zellen zeigten sich wirksamer bei der Bekämpfung von TGF-?1 bildenden soliden Tumoren.
Die weitere Forschung soll nun darauf abzielen, die oben beschriebenen Strategien anwendbar zu machen, ohne dabei eine umfassende, systemische Reaktion hervorzurufen: „Wir haben es geschafft, die Bremsen wegzunehmen. Nun muss jedoch sichergestellt werden, dass die Immunreaktion, nachdem sie erfolgreich gegen Krebszellen gekämpft hat, auch wieder zurückgefahren werden kann. Dies ist nun der nächste Schritt, bevor wir mit der klinischen Erprobung beginnen wollen“, so Prof. Dr. Abken.
Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung