Unser Immunsystem wehrt Viren und Bakterien auf unterschiedliche Weise ab: Bei viralen Infekten werden Interferone gebildet und zytotoxische T-Zellen aktiviert. Bakterielle Infekte werden demgegenüber mit B-Zellen und natürlichen Killerzellen bekämpft. Für jeden dieser Wege sind unterschiedliche Gene verantwortlich, deren Aktivierung zu einer bestimmten Signatur der Erbsubstanz (auf der Ebene der Messenger-RNA) führen, die sich mit modernen Analysesystemen (in so genannten Mikroarrays) darstellen lässt.
Anhand der unterschiedlichen Gensignaturen von Virus- und Bakterien-Infektionen haben US-Forscher einen Bluttest entwickelt, der erkennt, ob eine Infektion mit Viren oder Bakterien vorliegt, und der somit dabei helfen könnte, Antibiotika gezielter einzusetzen (siehe Science Translation Medicine 2016, Band 8/322, Seite: 322ra11). Je präziser die Diagnose, umso eher können einerseits unnötige Antibiotika-Gaben vermieden werden und umso gezielter und damit besser können andererseits Viruskranke behandelt werden.
Auf der Suche nach den betreffenden Gensignaturen hat das Forscherteam um Geoffrey Ginsburg und Christopher Woods von der Duke University School of Medicine in Durham/North Carolina die Blutproben von 273 Notaufnahme-Patienten untersucht, von denen 70 eine bakterielle Infektion und 115 einen viralen Infekt hatten, während bei 88 Patienten eine nicht-infektiöse Ursache der Atemwegsbeschwerden zugrunde lag. Bei der Analyse ergaben sich drei verschiedene Signaturen, die die Forscher als „Classifier“ bezeichnen: Bakterielle Infektionen wurden durch 71 aktivierte Gene angezeigt, virale Infekte durch 33 aktivierte Gene und Nicht-Infektionen durch 26 aktivierte Gene. Für den neu entwickelten Bluttest ergab sich eine Treffsicherheit von 87 Prozent – er konnte 238 der 273 Patienten richtig zuordnen. Damit schneidet der neu entwickelte Bluttest sogar noch besser ab als der bereits erhältliche Procalcitonin-Test (mit 78 Prozent Treffsicherheit).
Derzeit arbeiten die Forscher daran, die Dauer der Testauswertung von bislang zehn Stunden auf eine Stunde zu verkürzen. Auch zur klinischen Überprüfung des Bluttests werden noch weitere Untersuchungen erforderlich werden.
„Die Bluttests haben allerdings auch einen Haken, der sowohl den neuen Test als auch den Procalcitonin-Test betrifft“, gibt Prof. Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK) und ehemaliger Ärztlicher Leiter des Fachkrankenhauses Kloster Grafschaft zu bedenken. „Nur wenn die Bakterien auch ins Blut wandern, bekommt man ein positives Testergebnis. Bei lokal beschränkten bakteriellen Infektionen - zum Beispiel aufgrund eines Abzesses oder eines eitrigen Pleuraergusses oder auch einer schweren eitrigen Bronchitis, die z. B. bei Beatmeten tödlich verlaufen kann - können diese Tests hingegen negativ ausfallen.“