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Bitterstoffe entspannen die Bronchien

Nicht nur auf der Zunge, sondern auch in der Lunge haben Menschen Bindungsstellen für bittere Substanzen. Überraschenderweise führen diese nach dem Einatmen zu einer Erweiterung der Bronchien und könnten so eine neue Behandlungsoption zur Behandlung von Asthma, COPD und anderen Lungenerkrankungen darstellen.

Ähnlich wie auf der Zunge gibt es auch in der Lunge des Menschen Andockstellen (sog. Rezeptoren) für bittere Substanzen. Das haben Forscher der University of Maryland in Baltimore per Zufall entdeckt, wie sie in der Fachzeitschrift Nature Medicine (Online-Vorabveröffentlichung am 24.10.2010) berichten. Während die Geschmacksknospen auf der Zunge beim Geschmack „bitter“ das Gehirn vor möglicherweise giftigen Inhaltsstoffen in der Nahrung warnen, ist die physiologische Funktion der Bitter-Rezeptoren in der Lunge noch völlig unklar. Denn ihre Reizung führt nicht zu einer Verengung der Bronchien mit Husten, wie man das für eine Schutzreaktion beim Einatmen potenziell schädlicher Gase erwarten würde. Vielmehr führt die Inhalation von Bitterstoffen zu einer Erweiterung der Bronchien – und gerade das macht sie für die Entwicklung von neuen Medikamenten zur Asthma bronchiale und anderen Lungenerkrankungen interessant.

„Der Nachweis funktionstüchtiger Geschmacksrezeptoren von Muskelzellen in der Lunge war so unerwartet, dass wir zunächst selbst sehr skeptisch waren“, erzählt Forschungsteamleiter Stephen Liggett. Weitere Experimente zunächst an Mäusen, dann an Menschen zeigten schließlich, dass die Muskelzellen in den Bronchien nach dem Andocken von Bitterstoffen wie Chinin oder Chloroquin (beide bekanntlich bitter schmeckend und u.a. gegen Malaria wirksam) erschlafften, so dass sich die Bronchien erweiterten – und zwar dreimal stärker als nach der Behandlung mit Medikamenten, die gewöhnlich gegen Asthma oder COPD eingesetzt werden. „Die Bitterstoffe wirken auf die Atemwege gründlicher, als alle bekannten Medikamente, mit denen wir heute solche Krankheiten behandeln“, bestätigt Liggett.

„Wir benötigen neue Medikamente, um Asthma Lungenemphyseme oder chronische Bronchitis zu behandeln. Unsere Entdeckung könnte die üblichen Therapien durch einen ganz neuen Ansatz ersetzen oder ergänzen“, betont Liggett. Denkbar wäre zum Beispiel die Inhalation von Aerosolen, die chemisch veränderte Bitterstoffe erhalten. Demgegenüber wäre das Essen von Bitterstoffen wahrscheinlich zu wenig wirksam. „Wir gehen davon aus, dass die bitteren Substanzen in die Lunge inhaliert werden müssen“, meint Liggett.