Lungenhochdruck ist eine schwere, zum Tode führende Erkrankung, die durch eine starke Verengung der Lungengefäße gekennzeichnet ist. Die Betroffenen leiden bereits bei geringster Belastung oder sogar in Ruhe unter Atemnot, blauen Lippen, Beinödemen, Brustschmerzen, und klagen allgemein über schnelle Erschöpfung und Ermüdung. Die richtige Diagnose wird zumeist erst gestellt, wenn es durch die fortschreitende Überlastung zum Herzversagen kommt. Im an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) angesiedelten Sonderforschungsbereich 1213 „Pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale“ wird diese Erkrankung untersucht und die Entwicklung neuer Therapien angestrebt.
Dies scheint nun für die Pulmonale Arterielle Hypertonie (PAH) gelungen zu sein: In der aktuellen Ausgabe von Nature Communications (2019, Band 10, Artikel Nummer 2204) berichten Prof. Dr. Friedrich Grimminger und Prof. Dr. Ralph Schermuly vom Fachbereich Medizin der JLU von der Identifizierung eines molekularen Mechanismus, der die Erkrankung PAH aus der Wand der Gefäße heraus steuert. Die Zyklin-abhängigen Kinasen (CDKs) 2, 4 und 6 sind im Lungengewebe und in isolierten Zellen von PAH-Patienten in so auffälligen Konzentrationen vorhanden wie man sie sonst nur bei Patientinnen mit Brustkrebs kennt. Die moderne Krebstherapie umfasst deshalb auch eine medikamentöse Blockade dieser Schlüsselproteine mit sog. CDK-Inhibitoren – also künstlich hergestellten Wirkstoffen, die die Wirkung der CDK hemmen.
Die Autoren setzten nun diese in der Krebstherapie etablierten CDK-Inhibitoren in vorklinischen Studien ein. Sie folgten der Hypothese, dass diese CDK-Inhibitoren auch den überaktivierten Signalweg bei den Lungenkranken so wirksam hemmen, dass die Erkrankung zum Stillstand kommt. Ihre Hoffnung, den krankhaften Umbau der Blutgefäße zu stoppen, wurde bestätigt. Überraschenderweise gelang es sogar, die bereits krankhaft verengten Blutgefäße zu regenerieren.
Die Beobachtung, dass bereits entstandene krankhafte Wandververdickungen der Blutgefäße „repariert“ werden konnten, ist ein unerwarteter Erfolg. Der Einsatz von Krebsmedikamenten beim Herzversagen ist eine völlig neue Perspektive. Dafür wurden zwei CDK-Inhibitoren, Dinaciclib und Palbociclib, verwendet, die bereits in der Tumorbehandlung erfolgreich getestet wurden. „So ist Palbociclib aufgrund seiner hemmenden Eigenschaften auf Tumorzellen für die Behandlung des fortgeschrittenen Brustkrebses zugelassen“, erklärt Prof. Grimminger, der selbst als Onkologe arbeitet. In den isolierten Zellen führte die gezielte Hemmung der CDKs durch Abschaltung eines nachgeschalteten Signalwegs (CDK-Retinoblastoma-Protein-E2F-Signalweg) zu einer Unterbrechung des Zellwachstums und damit zu einer deutlichen Abnahme der übermäßigen Zellvermehrung. In zwei experimentellen Modellen der PAH zeigte Palbociclib eine Verringerung des krankhaften Gefäßumbaus. Damit einhergehend zeigte sich insgesamt eine deutliche Verbesserung der Herzleistung.
„Die Daten zeigen, dass die Hemmung von CDK durch Wirkstoffe wie Palbociclib eine neue Therapieoption für die Behandlung von PAH-Patienten darstellt, die am krankhaften Gefäßumbau der Lunge und des rechten Herzens ansetzt“, erklärt Prof. Schermuly. Auch wenn die Entstehung und Entwicklung einer PAH insgesamt komplex sind, lassen die Ergebnisse hoffen, dass sich das Fortschreiten der Erkrankung durch die Hemmung des Gefäßumbaus eindämmen lässt und somit der Leidensdruck der Patienten verringert wird. Die Erstautoren der Arbeit, Dr. Astrid Weiß und Moritz Neubauer, erhielten für diese Arbeit auf bei dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) einen Preis der Rene-Baumgart Stiftung.
Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen