Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie) bei Kindern ist eine lebensgefährliche Krankheit, die schwer zu erkennen ist und für die es lange Zeit kaum Behandlungsmöglichkeiten gab. Zwei bis 15 von einer Million Mädchen und Jungen sind betroffen. Bei ihnen ist der Druck in den die Lunge versorgenden Blutgefäßen deutlich zu hoch. Dadurch sind sie anfänglich vielleicht nur abgeschlagen und nicht so gut belastbar. Da ihr Herz aber ständig gegen den hohen Blutdruck in der Lunge anpumpen muss, funktioniert das Organ nach und nach immer schlechter, wenn die Patienten nicht angemessen behandelt werden. Letztendlich kann eine Lungentransplantation erforderlich werden.
„Solche Verläufe können wir heute zumindest teilweise verhindern oder hinauszögern, wenn wir die betroffenen Kinder möglichst früh erkennen, um sie dann individuell und ganz gezielt zu behandeln. Das passiert aber längst nicht immer, denn für die komplexe Abklärung und Behandlung ist Spezialwissen nötig, über das selbst hochspezialisierte Herz- und Lungenkliniken häufig nicht verfügen“, erläutert Prof. Hansmann von der Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Intensivmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Die einzelnen Therapieschritte müssen bei jedem Kind in Abstimmung mit den Eltern individuell festgelegt werden, weswegen die Kinder und ihre Angehörigen engen Kontakt zu Spezialisten behalten sollten – wie etwa zum 2013 gegründeten MHH-Zentrum für Pulmonale Hypertonie im Kindesalter mit seiner Spezialambulanz.
Ein Grund, warum die Häufigkeit der pulmonalen Hypertonie bei Kindern in den vergangenen Jahren gestiegen ist und voraussichtlich weiter steigen wird, ist die zunehmende Zahl an überlebenden, extrem unreifen Frühgeborenen, deren Lunge oft Schaden nimmt. Ein weiterer Grund ist die Flüchtlingssituation: „Wir sehen immer wieder Flüchtlingskinder und -jugendliche mit angeborenen Herzfehlern, zum Beispiel Löchern in der Herzkammerwand, die bisher nicht oder kaum behandelt wurden und bei denen sich jetzt die Frage des weiteren Managements der Erkrankung stellt. Eine sorgfältige Abklärung und Therapie einer möglichen Lungengefäßerkrankung mit pulmonaler Hypertonie gehört hier unbedingt dazu“, betont Prof. Hansmann.
Überlebenschancen und Lebensqualität von Kindern mit schwerem Lungenhochdruck haben sich in den vergangenen Jahren zwar schon wesentlich verbessert. Dennoch sterben immer noch viele dieser Patienten. Unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Hansmann haben jetzt 25 internationale Experten – erstmals für Europa – umfassende Empfehlungen für Diagnose, Management und Behandlung vorgelegt. Die Experten haben ihre Empfehlungen zur pulmonalen Hypertonie in Form von zehn wissenschaftlichen Arbeiten vorgelegt (siehe Heart 2016, Band 102/2, Seite ii86-ii100). „Es ist uns gelungen, einen wirklich breiten, praxis-bezogenen Konsens herzustellen, der helfen sollte, die neuen Behandlungsprinzipien in die Breite zu tragen“, sagt Prof. Hansmann. Er sitzt auch dem European Paediatric Pulmonary Vascular Disease (PVD) Network vor, das die Empfehlungen veröffentlicht. Zu den Experten gehören unter anderem der stellvertretende Leiter der Arbeitsgruppe Prof. Dr. Christian Apitz aus Ulm, Prof. Damien Bonnet aus Paris sowie Prof. Dr. Philipp Beerbaum und PD Dr. Gregor Warnecke aus der MHH. Neben der Fachzeitschrift Heart haben die International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT) und die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) die Artikel begutachtet - und unterstützen die Publikation.
Eine der zehn neuen Publikationen beschäftigt sich mit der Diagnostik und Überwachung der Kinder. „Wer etwa drei Monate nach der Geburt im Ultraschall noch Zeichen eines Lungenhochdrucks aufweist, braucht zum Beispiel eine Herzkatheteruntersuchung“, erklärt Prof. Hansmann. Mehrere Publikationen setzten sich mit den Krankheitsursachen auseinander. Denn es macht für die Behandlung einen großen Unterschied, ob sich der Lungenhochdruck ohne erkennbare Ursache entwickelt, ob er auf einen angeborenen Herzfehler zurückgeht oder ob er mit Frühgeburtlichkeit assoziiert ist.
Am 7. April fand der erste Workshop zur pulmonalen Hypertonie in der MHH statt, bei dem Experten und Studenten ihr Wissen und Können beispielsweise über die Untersuchung des Herzens mittels Ultraschall (Echokardiographie), die Methoden im Herzkatheterlabor, das spezielle Lungenunterstützungssystem ECMO und die Intensivstation erweitern konnten. Am 8. April schloss sich das internationale Symposium „PH Symposium – Update 2016“ (www.pvdnetwork.org) an. Ende März begegneten sich in Hannover betroffene Familien bei einem vom Selbsthilfeverein Pulmonale Hypertonie e.V. (www.phev.de) organisierten Treffen.
Quelle: Medizinische Hochschule Hannover