Rauchen ist zwar die häufigste Ursache für eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Dennoch erkranken nur etwa 20 Prozent der Raucher tatsächlich an COPD, so dass weitere Faktoren – neben dem Rauchen – für die Entwicklung dieser Krankheit eine Rolle zu spielen scheinen. Nun weisen Forscher um Brian Day vom National Jewish Medical and Research Center darauf hin, dass untere Atemwegsinfektionen einen solchen Co-Faktor darstellen könnten, indem sie die Abwehrfähigkeit der Lungen herabsetzen. Insbesondere Infektionen mit dem bakteriellen Erreger Mycoplasma pneumoniae (mp) könnten hierbei von Bedeutung sein, berichten sie in der Fachzeitschrift Infection and Immunity (Online-Vorabveröffentlichung am 21. Juli, Print-Ausgabe im Oktober 2008). So stellt mp einerseits den häufigsten Erreger von Lungenentzündungen (Pneumonien) dar, ist andererseits aber schwer nachzuweisen, weil er sich nur schlecht in Kulturen vermehren lässt. Außerdem gibt es Hinweise, dass dieser Erreger auch unerkannte, vor sich hinschwelende, chronische Infektionen verursachen kann.
In Tierversuchen mit Mäusen haben Day und Kollegen beobachtet, dass eine Infektion mit mp zu einem Absinken der Blutspiegel an Glutathion in der Lunge führt, das zu den so genannten Anti-Oxidantien gehört. Dabei fiel bei Mäusen, die zusätzlich Tabakrauch einatmen mussten und dann mit mp infiziert wurden, das Glutathion noch gravierender ab. „Offenbar blockiert eine Mycoplasma-Infektion weitgehend diejenigen Schutzmechanismen, die Mäuse normalerweise gegenüber Tabakrauch auffahren können“, erklärt Prof. Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Werne. „Aus anderen Versuchen wusste man bereits, dass Mäuse, die über 16 Wochen hinweg Tabakrauch ausgesetzt waren, die Bildung von Glutathion verdoppeln. Rauchen bedeutet schließlich oxidativen Stress. Denn Zigarettenrauch ist reich an so genannten Oxidantien die im Zusammenspiel mit Sauerstoff zur Bildung aggressiver Sauerstoffradikale führen. Diese überfordern irgendwann die anti-oxidativen Abwehrmechnismen der Lunge und verursachen dadurch direkten Schaden im Lungengewebe, was Entzündungsprozesse in der Lunge antreibt und dadurch das Risiko erhöht, an einer COPD zu erkranken. Demgegenüber können durch die vermehrte Bildung von Glutathion die aus dem Tabakrauch stammenden Oxidantien abgefangen werden und mögliche Schäden im Lungengewebe folglich besser abgewendet werden.“
Durch eine Mycoplasma-Infektion wird also offenbar das Recycling des Radikalfängers Glutathion unterbunden. „Beim Abfangen und Neutralisieren der Oxidantien aus dem Zigarettenrauch wird das Glutathion oxidiert und muss dann von einem Enzym namens Glutathion-Reduktase wieder recycelt – das heißt in die reduzierte Form zurückgeführt - werden, damit es erneut als Radikalfänger fungieren kann“, erläutert Köhler. „Eine Infektion mit mp führt nun offensichtlich zu einem Mangel an diesem Recycling-Enzym, so dass es zu einem Überschuss an oxidiertem Glutathion und einem Mangel an reduziertem Glutathion kommt. Die daraus resultierende Unfähigkeit, Radikale abzufangen, führt daher - insbesondere bei zusätzlichem Rauchen - zu verstärktem oxidativen Stress. Daraus folgt einerseits eine vermehrte Schädigung des Lungengewebes mit dem damit verbundenen erhöhten Risiko für die Entwicklung einer COPD. Anderseits wird auch die Erbsubstanz DNA in den Zellen der Lunge und anderer Organe stärker angegriffen und kann dabei entarten, was das Krebsrisiko erhöht“, warnt Köhler.