Lange Zeit galt die Lunge als keimfrei und steril. Erst kürzlich setzte sich die Erkenntnis durch, dass auch unser Atmungsorgan – ähnlich wie der Darm und die Haut – von Bakterien besiedelt ist. Nun haben Forschende um Benjamin Marsland vom Universitätsspital CHUV in Lausanne in Versuchen mit Mäusen nachgewiesen, dass diese Lungenmikroben vor allergischem Asthma schützen (Nature Medicine, Online-Veröffentlichung am 5.5.14).
Die Wissenschaftler setzten Mäuse einem Extrakt aus Hausstaubmilben aus. Eben erst geborene Tiere entwickelten eine stark erhöhte allergische Reaktion auf den Extrakt im Gegensatz zu älteren Mäusen. Der Grund: Die Lungen neugeborener Mäuse sind noch nicht von Mikroben besiedelt, die das Immunsystem verändern und die Mäuse somit weniger anfällig für allergische Reaktionen machen.
Dieser Besiedlungs- und Anpassungsprozess laufe in den ersten zwei Wochen eines Mäuselebens ab, berichten die Forscher. Wenn sie junge Mäuse hingegen gänzlich keimfrei hielten, blieben die Tiere lebenslänglich anfällig auf Asthma und reagierten auch später noch mit überschießenden Immunantworten auf die Staubmilben-Allergene.
Marsland und sein Team haben bereits Untersuchungen aufgenommen, um herauszufinden, ob auch beim Menschen Lungenmikroben für gesunde Atemwege sorgen. Pilotstudien bei Babys in der Schweiz und in Neuseeland deuten auf Parallelen zwischen Mensch und Maus. Weitere Studien müssen jedoch folgen, um potentielle Mechanismen beim Menschen zu identifizieren.
„In der frühen Entwicklung scheint es ein Zeitfenster zu geben, in dem sich entscheidet, ob ein Individuum später im Leben an Asthma erkrankt oder nicht“, sagt Marsland. Bisher hätten Wissenschaftlerinnen und Ärzte sich beim Thema Asthma vor allem dem Ablauf der Erkrankung und möglichen unmittelbaren Auslösern gewidmet. „Wahrscheinlich aber müssen wir schon viel früher, bei den Neugeborenen, hinschauen.“
Marsland möchte nun herausfinden, wie groß das Zeitfenster für den Aufbau des Immunsystems im Kindesalter ist. Er hofft, dass das neue Wissen dabei hilft, Asthma künftig zu verhindern. Vielleicht, indem schwangere Frauen zu vermehrtem Früchte- und Gemüsekonsum angehalten werden. Erst kürzlich hat Marsland nämlich aufgezeigt, dass in diesen Lebensmitteln enthaltene Nahrungsfasern durch Veränderung der mikrobiellen Flora ebenfalls vor allergischem Asthma schützen (wir berichteten - siehe http://www.lungenaerzte-im-netz.de/lin/linaktuell/show.php3?id=2527&nodeid=18). Möglicherweise könnte sich dieser Schutz auf die Neugeborenen übertragen.
Quelle: Schweizerischer Nationalfonds SNF