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Ausgangslage für Organspende und Transplantationen verbessern

Trotz hoher Organspende-Bereitschaft übersteigt die Zahl der potenziellen Organempfänger die Zahl der möglichen Transplantationen nach wie vor um mehr als das Doppelte. Wie ein geändertes Transplantationsgesetz die Versorgung Schwerstkranker verbessern könnte, erläutert Prof. Dr. med. Jürgen Behr, diesjähriger Kongresspräsident der DGP 2019 und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Wie ein geändertes Transplantationsgesetz die Versorgung Schwerstkranker verbessern könnte, erläutert Universitätsprofessor Dr. med. Jürgen Behr, diesjähriger Kongresspräsident der DGP 2019 und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V der Ludwig-Maximilians-Universität München:

Die Lungentransplantation ist für viele Patienten mit endgradig fortgeschrittenen Lungenerkrankungen die letzte Überlebenshoffnung. Dabei handelt es sich um eine große Vielfalt von Patienten - von Kindern mit Erbkrankheiten oder Fehlbildungen, über Heranwachsende oder junge Erwachsene mit Mukoviszidose bis hin zu Erwachsenen oder sogar älteren Patienten mit schwerer COPD oder Lungenfibrose.

Angespannte Ausgangslage in Deutschland für Transplantationen

Die Ausgangslage für Lungentransplantationen in Deutschland ist nach wie vor angespannt. Pro Jahr werden circa 300 bis 350 Patienten mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen mittels Lungentransplantation behandelt. Die größten Lungentransplantationszentren in Deutschland sind die Medizinische Hochschule Hannover, gefolgt von der Munich Lung Transplant Group am Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München. Gemeinsam führen diese beiden Zentren circa zwei Drittel aller Lungentransplantationen durch. Der Zahl der Transplantationen steht die Zahl von 400 bis 450 pro Jahr neu angemeldeten Lungentransplantationsempfängern gegenüber, sodass die Zahl der potenziellen Organempfänger nach wie vor die Zahl der möglichen Transplantationen um mehr als das Doppelte übersteigt, wobei all die Patienten unberücksichtigt bleiben, bei denen die Indikation nicht erkannt wird.

Neues Transplantationsgesetz wäre ein guter Lösungsansatz

Um diese Situation zu verbessern, ist das neue noch in Diskussion befindliche Transplantationsgesetz aus meiner Sicht ein richtiger Schritt mit guten Ansätzen. Die Widerspruchslösung zur Organspende ist in einigen anderen europäischen Ländern realisiert - zum Beispiel in Frankreich, Italien und Österreich - und könnte somit auch ein Modell für Deutschland sein. Allerdings zeigt die bereits wiederaufkeimende, sehr kritische Diskussion, dass an der politischen Durchsetzbarkeit der Widerspruchslösung in Deutschland Zweifel angebracht sind. Umso wichtiger erscheint es mir, dass im neuen Gesetzentwurf weitere wichtige Ansatzpunkte zugunsten der Organspende adressiert werden.

Transplantationsbeauftragte im Krankenhaus stärker unterstützen

So besteht bekanntermaßen eine erhebliche Diskrepanz zwischen der hohen Befürwortung der Transplantation in der Bevölkerung – in entsprechenden Befragungen sprechen sich bis zu 80 Prozent für die Organtransplantation aus – und der ihr entgegenstehenden Realität, dass nur etwa jeder Dritte einen Organspendeausweis mit sich führt. Dementsprechend kommt den Transplantationsbeauftragten an den Kliniken eine entscheidende Bedeutung zu. Ihnen müssen Freiräume – das heißt Zeit – geschaffen werden, die es erlauben, Gespräche zu führen und die Zustimmung der Angehörigen einzuholen, wenn ein Organspendeausweis nicht vorliegt. Zusätzlich können die Transplantationsbeauftragten die Krankenhausmitarbeiter, die in eine Organspende involviert wären, schulen und für eine positive Grundeinstellung sorgen. Der Gesetzesentwurf sieht eine solche Freistellung der Transplantationsbeauftragten vor, wenngleich die Finanzierung nach meinem Kenntnisstand noch nicht abschließend geklärt ist.

Organ-Spende und -Explantation finanziell aufwerten

Der zweite ebenso wichtige Aspekt ist die Tatsache, dass für Kliniken eine Organexplantation - sprich: eine Organspende - in der Regel eine Zusatzbelastung darstellt ohne angemessene Vergütung. Die Organspende ist heute ein sehr aufwendiger Prozess, durch den OP-Kapazitäten und intensivmedizinische Kapazitäten, aber auch andere Ressourcen (zum Beispiel Neurologie, Radiologie etc.) in Anspruch genommen werden, wodurch die jeweilige Klinik andere Leistungen nicht erbringen kann. In diesem Zusammenhang ist die finanzielle Aufwertung der Organspende ein wesentlicher Schritt, um Spenderorgane in größerem Umfange zu gewinnen. Natürlich dürfen hierdurch keine Fehlanreize geschaffen werden, aber es ist gerade in der heutigen Zeit wichtig, dass die Organspende in den Krankenhäusern nicht zu Verlusten führt.

Hohe Organspende-Bereitschaft in tatsächliche Organspende-Zahlen umsetzen

Die beiden im Gesetzentwurf enthaltenen Maßnahmen - Stärkung der Transplantationsbeauftragten an den Kliniken und finanzielle Aufwertung der Organspende beziehungsweise der Explantation - sind aus meiner Sicht wichtige Elemente, damit sich die bekanntermaßen hohe Organspendebereitschaft der Bevölkerung in entsprechend bessere tatsächliche Organspendezahlen umsetzen lässt. Insofern kann das neue Transplantationsgesetz tatsächlich zu einer größeren Verfügbarkeit von Spenderorganen führen, was sich unmittelbar für die auf ein Organ wartenden Patienten – nicht nur zur Lungentransplantation, sondern für alle anderen Organtransplantationen – auswirken wird.

Optimale Betreuung und Management von potenziellen Lungenspendern fördern

Neben den bereits genannten Aspekten wäre aus pneumologischer Sicht auch eine optimale Betreuung von potenziellen Lungenspendern auf den Intensivstationen im Hinblick auf Beatmung und optimales Management der potenziellen Lungenspender von großer Bedeutung. Aus internationalen Studien ist bekannt, dass entsprechende Schulungsmaßnahmen von Pflegepersonal und Ärzten auf Intensivstationen ebenfalls zu einer deutlich besseren Verfügbarkeit von Spenderorgan führen können. Dies betrifft die Lunge in besonderem Maße, weil dieses Organ durch mechanische Beatmung und Infektionen leicht geschädigt werden kann und dann für die Transplantation ungeeignet wird.

Somit kann insgesamt festgestellt werden, dass ganz unabhängig von der politischen Durchsetzbarkeit der Widerspruchsregelung die genannten konkreten Maßnahmen -  Stärkung der Transplantationsbeauftragten, bessere Vergütung der Organspende, sprich der Explantation, und verbessertes Management der potenziellen Lungenspender auf den Intensivstationen - zu einer erheblichen Verbesserung der Transplantationsmedizin insgesamt führen.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin