Für Feinstaub gibt es viele Quellen – nicht nur den Verkehr, der derzeit ja besonders viel Aufmerksamkeit erfährt. Auch eine Reduktion landwirtschaftlicher Emissionen könnte die Menge an gesundheitsschädlichem Feinstaub erheblich senken. Das zeigt eine Studie von Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz (siehe Geophysical Research Letters 2017, Band 44, Seite 2875-2884). Die Wissenschaftler berechneten, dass speziell in Europa und Nordamerika durch die Verringerung von Ammoniakemissionen (NH3) aus Düngung und Viehzucht die Konzentration an Feinstaubpartikeln in der Atmosphäre stark abnehmen würde. Wären die landwirtschaftlichen Emissionen um 50 Prozent niedriger, könnten pro Jahr und weltweit 250.000 Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind, vermieden werden.
Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern (PM2,5) sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besonders gesundheitsschädlich, weil die Partikel tief in die Lunge eindringen und Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verursachen können. Auf diese Weise verringern sie die Lebenserwartung in vielen Gegenden der Welt deutlich. Der Studie „Global Burden of Disease” zufolge liegt die Luftverschmutzung weltweit auf Platz fünf der Risikofaktoren für Todesursachen. Diese Studie, an der mehr als 1800 Wissenschaftler beteiligt sind, quantifiziert Todesfällen nach Krankheit, Unfällen und Risikofaktoren.
„Öffentlich wird derzeit vor allem die Feinstaubbelastung durch den Verkehr diskutiert, andere Quellen wie etwa die Landwirtschaft werden dabei vernachlässigt“, betont Jos Lelieveld, Direktor der Abteilung Atmosphärenchemie am Mainzer Institut. Zwar können die Feinstaubemissionen von motorisierten Fahrzeugen entscheidend zur lokalen Luftbelastung in Ballungszentren beitragen, der meiste Feinstaub (PM2,5) entsteht aber erst durch chemische Prozesse in der Atmosphäre während des Windtransports. „Daher könnte die Konzentration der Feinstaubteilchen in der Atmosphäre deutlich sinken, wenn Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft vermieden würde“, so Lelieveld, dessen Forschungsteam dies mit aktuellen Berechnungen belegt.
In ihrer früheren Studie wiesen Max-Planck-Forscher daraufhin, dass im Jahr 2010 weltweit 3,3 Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung starben. Zwischenzeitlich sind die Schätzungen für die letzten Jahre wieder deutlich angestiegen. Die Wissenschaftler betonen, dass in vielen Regionen der Erde nicht Industrie und Verkehr, wie allgemein angenommen, die Hauptquelle für Luftverschmutzung sind, sondern dass, neben der Nutzung von Brennstoffen zum Heizen und Kochen, die Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielen kann.
Als wichtigste Ursache für die Luftbelastung, speziell in weiten Teilen Europas, haben die Wissenschaftler die Freisetzung von Ammoniak aus Viehzucht und Düngung identifiziert. Zwar ist der im Ammonium enthaltene Stickstoff ein wichtiger Nährstoff für Pflanzen. Ammoniak entweicht durch die Zersetzung von Gülle und durch die Düngung von Nutzpflanzen jedoch in die Atmosphäre und reagiert dort mit anderen anorganischen Stoffen, wie Schwefel- und Salpetersäure zu Ammoniumsulfat und Nitratsalzen. Hieraus wiederum entstehen Feinstaubpartikel.
Bei ihrer aktuellen Studie konzentrierten sich die Wissenschaftler auf vier Regionen, in denen die Grenzwerte der Luftverschmutzung häufig überschritten werden: Nordamerika, Europa, Süd- und Ostasien. Ihre Berechnungen zeigten, dass eine Reduzierung aller landwirtschaftlichen Emissionen um 50 Prozent weltweit eine Abnahme von rund acht Prozent der durch Luftverschmutzung verursachten vorzeitigen Sterbefälle bewirken würde. Das entspricht einer Zahl von 250.000 Menschen pro Jahr. Ein kompletter Stopp sämtlicher Ammoniakemissionen könnte theoretisch weltweit sogar 800.000 Menschen vor dem Tod durch Krankheiten bewahren, die durch Luftverschmutzung ausgelöst werden.
„Der Effekt der Ammoniakreduktion auf die Feinstaubbildung verläuft nicht linear. Eine effiziente Luftverbesserung setzt erst ab einem bestimmten Reduktionswert ein. Ab diesem Punkt ist die Wirkung dann aber exponentiell“, erläutert Andrea Pozzer, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie und Hauptautor der Studie. Eine Verringerung der Ammoniakemissionen von über 50 Prozent wäre deshalb, so Pozzer weiter, sehr effektiv und wünschenswert.
Die Mortalitätsraten ermittelten die Wissenschaftler in zwei Schritten: Zunächst errechneten sie mithilfe eines Modells der Atmosphärenchemie, wie viel weniger Feinstaub bei geringeren Ammoniakkonzentrationen entstehen würde. Demnach hätte eine weltweite Halbierung der Emissionen in Europa 11 Prozent, in den USA 19 Prozent und in China 34 Prozent weniger Feinstaub der Größe PM2,5 zur Folge. In Deutschland lag die durchschnittliche Belastung mit Feinstaub dieser Größe im Jahr 2015 bei rund 14 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, würde im 50 Prozent Minderungsszenario der Mainzer Forscher also etwa auf 12,5 Mikrogramm pro Kubikmeter sinken.
Anhand eines weiteren Modells, das beschreibt, welche gesundheitlichen Effekte bei welcher Feinstaubexposition auftreten, berechneten die Forscher dann den Einfluss auf die Sterberate durch Lungenkrebs, Herz-Kreislauf- und Atemwegskrankheiten. Besonders Europa würde von einer Minderung der Ammoniakemissionen und der dadurch geringeren Feinstaubmengen profitieren: So würde eine europaweite NH3-Reduktion um 50 Prozent die PM2,5 Sterblichkeitsrate um fast 20 Prozent verringern, sodass etwa 50.000 Todesfälle pro Jahr vermieden werden könnten.
In den USA hätte eine Ammoniakreduzierung in dieser Größenordnung eine Abnahme der luftverschmutzungsbedingten Sterblichkeitsrate um 30 Prozent zur Folge, berechneten Andrea Pozzer und seine Kollegen. Dagegen ergaben die Computermodelle geringere Verbesserungen für Ostasien mit acht Prozent und nur drei Prozent für Südasien.
Aufgrund der Ergebnisse schlussfolgert Jos Lelieveld: „Emissionsregelungen sollten insbesondere in Nordamerika und Europa striktere Grenzwerte für Ammoniak festlegen, um die Feinstaubkonzentrationen effektiv zu reduzieren.“ Maßnahmen zur Reduktion von Schwefeldioxid (SO2) und Stickoxiden (NOx), seien für die Luftreinhaltung zwar entscheidend wichtig, sollten aber durch die Minderung von Ammonium aus der Landwirtschaft, die sich auch relativ einfach umsetzen lässt, ergänzt werden.
Quelle: Max-Planck-Institut für Chemie