Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Umweltgift Benzpyren - ein krebserregender Stoff, der auch im Tabakrauch enthalten ist - die Gene (DNA) schädigt. Wie aber reagieren Zellen auf diese DNA-Schäden? Können sie die Schäden reparieren und die Reparatur bei Bedarf verstärken? Und welche Auswirkungen hat dies auf das Überleben der Zelle? Diese Fragen haben Wissenschaftler des Instituts für Toxikologie der Universitätsmedizin Mainz in der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Markus Christmann untersucht. Ergebnis: Schon eine niedrige Dosis an Benzpyren schädigt die Gene (DNA). Die geschädigten Zellen können sich jedoch an diesen Schaden anpassen. Allerdings geht diese Anpassung mit einem erhöhten Mutationsrisiko der Zellen einher. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Krebserkrankung entwickelt (siehe Nucleic Acids Research 2016, Band 44/22, Seite: 10727-10743). Für Raucher bedeutet diese Erkenntnis, dass sie selbst bei geringem Zigarettenkonsum ihr Risiko erhöhen, an Krebs zu erkranken.
Damit körpereigene Prozesse ungestört funktionieren können und ein Individuum überleben kann, ist es wichtig, dass dessen Erbgut und somit die Erbinformationen unversehrt erhalten bleiben. Das Erbgut (die DNA) kann jedoch durch krebserregende Umweltgifte (sogenannte Karzinogene) schwerwiegende Schäden erleiden. Um diesen entgegenzuwirken, hat die Zelle spezielle DNA-Reparaturmechanismen entwickelt.
Wenn eine Zelle viele DNA-Schäden erleidet, beispielsweise weil sie einer hohen Konzentration eines Karzinogens ausgesetzt ist, dann ist es ihr möglich, den programmierten Zelltod einzuleiten, also quasi Selbstmord zu begehen. Dadurch kann sich die stark geschädigte Zelle nicht mehr vermehren und auch keinen weiteren Schaden anrichten, wie beispielsweise einen Tumor auszubilden.
Was passiert aber in der Zelle, wenn sie nur mit einer geringen Menge toxischer Substanzen wie Benzpyren in Kontakt kommt? Dann wird die DNA-Reparatur aktiviert: Als Reaktion auf eine niedrige Menge der toxischen Substanz Benzpyren beobachteten die Forscher eine Aktivierung der sogenannten Nukleotid-Exzisionsreparatur. Bei dieser werden DNA-Bausteine um den Schaden herum sowie der Schaden selbst entfernt. Beim Ablesen der Erbinformation (zur Verdopplung der Erbsubstanz = Replikation) auf dem intakten DNA-Strang wird der geschädigte DNA-Bereich neu synthetisiert. Die Zelle kann so weiterleben, ihre DNA verdoppeln und sich wieder teilen. Im Rahmen der Studie zeigte sich, dass die Zellen aufgrund der verstärkten, durch den Schadstoff Benzpyren ausgelösten DNA-Reparatur besser vor der toxischen Wirkung dieses Karzinogens geschützt sind.
Nicht Teil der Forschungshypothese war jedoch ein weiterer, in der Zelle beobachteter Prozess: Auch die sogenannte Transläsionssynthese setzte verstärkt ein. Bei diesem fälschlicherweise mitunter auch als DNA-Reparatur bezeichneten Vorgang versucht die Zelle, mit nicht entfernten DNA-Schäden, zurechtzukommen, indem Enzyme während des Ablesens der Gene über diese DNA-Schäden hinweg lesen. Auf diese Weise werden in der DNA verbliebene Schäden toleriert. Dies ist für die Zelle folgendermaßen von Vorteil: Der Mechanismus fördert das Überleben der Zelle, denn es gibt keine Brüche in der DNA und die Zelle kann sich weiter vermehren. Dieser Vorgang der Schadentoleranz ist allerdings häufig mit Fehlern behaftet. Das schlug sich in der Studie nun dadurch nieder, dass Zellen, die die Behandlung mit Benzpyren überleben, vermehrt Genveränderungen (Mutationen) aufweisen. Da auch Krebs auf Veränderungen des Erbguts beruht, steigt damit zwangsläufig das Tumorrisiko.
Interessant ist, dass bei der Verstärkung der DNA-Reparatur ein als Tumorsuppressor bekanntes Protein (nämlich p53) involviert ist. Dieses Protein entscheidet bei der DNA-Schädigung häufig zwischen Leben und Tod der Zelle. Benzpyren regt p53 an, die DNA-Reparatur zu stimulieren und ebenso die Transläsionssynthese der geschädigten DNA zu verstärken. Diese Regulation der sogenannten adaptiven DNA-Reparatur in Zellen, die mit einem Umweltgift wie Benzpyren in Kontakt kamen, haben die Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz nun also näher aufgeklärt.
Die Aktivierung dieser DNA-Reparaturprozesse haben die Forscher übrigens nicht nur in menschlichen Zellkulturen, sondern auch in Zellen der Mundschleimhaut von Rauchern beobachtet. Das bedeutet, dass die Zellen der Mundschleimhaut von Rauchern und wahrscheinlich auch die ihres Lungengewebes der toxischen Schädigung durch Karzinogene adaptiv entgegenwirken und sich folglich anpassen können. Der Preis dafür ist jedoch hoch: Denn die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich in ihrem Körper ein Tumor entwickelt.
Quelle: Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz