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Atemnotsyndrom bei Neugeborenen besser behandeln

Säuglinge, bei denen sich aufgrund eines Gendefekts die Lungen nicht entfalten können, sterben bereits im Alter von wenigen Monaten. Ihnen fehlt ein spezifisches Protein, das so genannte Surfactant-Protein, das ein wichtiger Bestandteil des Flüssigkeitsfilms der Lunge ist. Mit einem Gentherapeutikum, das an Nanopartikel gekoppelt ist, könnte die Überlebenszeit erhöht werden.

Damit unsere Lunge komplikationsfrei atmen kann, sind die Lungenbläschen (Alveolen) mit einem Flüssigkeitsfilm ausgekleidet. Dieser setzt die Oberflächenspannung herab und vermindert so den Widerstand beim Einatmen, wodurch sich die Lunge entfalten kann. Der von der Lunge produzierte Flüssigkeitsfilm besteht aus dem so genannten Surfactant, einem Gemisch aus verschiedenen Lipiden und spezifischen Proteinen. Wenn z.B. das Surfactant-Protein B (SP-B) fehlt, kommt es zur so genannten SP-B-Defizienz: Das ist eine Entfaltungsstörung der Lunge bei Säuglingen, die den Gasaustausch stark behindert und nach der Geburt zu Atemversagen führt. Diese seltene, genetisch bedingte Erkrankung verläuft immer tödlich. Unter einer Million Neugeborenen sind fünf betroffen.

Um genetische Erkrankungen wie diese zu bekämpfen, setzen Wissenschaftler auf die Gentechnik. „Gentherapie und Genkorrektur sind hochmoderne neue Therapiemöglichkeiten für Patienten mit schweren, vererbten Erkrankungen. Wir arbeiten daran, kranke Gene sicher und effizient durch die gesunden Varianten zu ersetzen“, sagt Prof. Michael Kormann, Juniorprofessor für translationale Genomik und Gentherapie an der Tübinger Universitätskinderklinik.

Den Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Tübingen und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) – einer gemeinsamen Einrichtung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Universität des Saarlandes – ist es gelungen, das Erbgut von Mäusen so zu verändern, dass Tiere mit SP-B-Defizienz, die sonst nach drei Tagen starben, einen Monat lang überlebten (siehe Nature Biotechnology, Online-Veröffentlichung am 18.5.2015). „Wir haben das Genom in den Lungenzellen der Tiere so umprogrammiert, dass die Lungen das Surfactant-Protein herstellen können“, berichtet Kormann.

Dazu müssen zwei gentherapeutische Maßnahmen gleichzeitig eingeleitet werden: Zum einen muss das „gesunde“ Gen in die Zelle der erkrankten Tiere eingebracht werden. Zum anderen muss die gewünschte Gensequenz auch dauerhaft im gesamten Erbgut (Genom) eingebaut werden. Für diesen Vorgang wird kurzzeitig ein bestimmtes Enzym, eine so genannte Nuklease, benötigt. Damit die Nuklease aktiviert werden kann, wird ein zweites Gentherapeutikum verabreicht. Hierfür entwickelten Michael Kormann und seine Arbeitsgruppe speziell modifizierte Boten-RNA-Stränge, die über Nanopartikel in die Lunge geschleust werden.

Die durchgeführte Tierstudie präsentiert die erste in vivo gezeigte, lebensverlängernde Genkorrektur der Lunge. Der Effekt hielt allerdings nur an, solange nicht bereits zu viele Lungenzellen wieder durch neue Zellen ersetzt wurden, was bei neugeborenen Mäusen etwa einen Monat dauert. Um die Überlebenszeit darüber hinaus zu verlängern, müssten Lungenstammzellen auf eine ähnliche Weise korrigiert werden. Die Wissenschaftler sind aber zuversichtlich, dass dies gelingen und man Surfactant-Protein-B-Defizienz mit diesem Ansatz langfristig vollständig besiegen kann. Dieser Fragestellung und der gentechnischen Korrektur von Mukoviszidose will sich die Arbeitsgruppe um Michael Kormann als nächstes widmen.

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen