Mit dem Gasvolumen, das wir täglich bei 12-20 Atemzügen pro Minute ein- und ausatmen, könnte man einen mittelgroßen Heißluftballon füllen. Wie sich diese Atemluft genau zusammensetzt, lässt sich mittlerweile bis auf die Ebene einzelner Moleküle feststellen. So genannte metabolische Fingerabdrücke, die allein aufgrund eines auffälligen Molekülmusters auf ein Krankheitsbild hinweisen, ohne dabei alle Inhaltsstoffe im Einzelnen nachweisen zu müssen, sollen künftig zur Frühdiagnose bestimmter Krankheiten dienen. Um neue Diagnosemöglichkeiten durch Atemluftuntersuchungen zu diskutieren, trafen sich vom 16. bis 21. Februar im Universitätszentrum von Obergurgl (Tirol) 113 Experten und Interessierte aus 22 Ländern auf der 4th International PTR-MS Conference 2009. Die Abkürzung PTR-MS steht für Protonen-Tausch-Reaktions-Massenspektrometrie – eine spezielle Methode zur Untersuchung der Atemluft. An der Entwicklung dieses hochsensiblen Messverfahrens waren bereits in den 1980er Jahren Wissenschaftler des Institutes für Ionen- und Angewandte Physik der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck unter damaliger Leitung von Werner Lindinger und Tilmann Märk maßgeblich beteiligt. Heute wird das PTR-MS-Verfahren weltweit von über 120 Forschungseinrichtungen und Unternehmen eingesetzt.
„Um die Luft - und damit auch Umweltbelastungen sowie klimatische Veränderungen - genau untersuchen zu können, waren damals zeit- und kostenintensive chemische Verfahren gebräuchlich, die erst im Nachhinein Ergebnisse lieferten“, erklärt Märk. „Wir haben dagegen ab den 90er Jahren neue, empfindlichere und schnellere Analyse-Methoden entwickeln können, die in Echtzeit - also sofort - und mit extrem hoher Nachweiswahrscheinlichkeit Ergebnisse liefern und heute auf der ganzen Welt unter anderem in der Umweltforschung etabliert sind.“ Als internationaler Vorreiter auf dem Gebiet der so genannten Spurenanalytik in Echtzeit gilt eine Innsbrucker Forschergruppe unter Leitung von Armin Hansel. „Flüchtige Gase als Abbauprodukte unseres Stoffwechsels sind ein Schlüssel dazu, was im Mikrokosmos unseres Körpers auf Molekülebene passiert“, erläutert Hansel. „Die Atemluft in Echtzeit zu analysieren, könnte in Zukunft wie ein Frühwarnsystem vor Lungenkrebs, Magengeschwüren, Asthma, aber auch bei Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen eingesetzt werden. Dieses schnelle und schmerzfreie Verfahren brächte auch eine entsprechende Kostenentlastung für das Gesundheitssystem.“
Die im Zweijahrestakt stattfindenden PTR-MS-Konferenzen in Obergurgl, die vom Institut für Ionen- und Angewandte Physik veranstaltet und unter anderem von der Europäischen Kommission und der Universität Innsbruck gefördert werden, bringen traditionell Wissenschaft und Industrie miteinander zusammen. Neben der Atemluftdiagnostik standen dieses Jahr zum Beispiel auch neueste Ergebnisse zur Umweltforschung und der Qualitätskontrolle von Lebensmitteln, sowie weitere Innovationen in Medizin und Biotechnologie durch PTR-MS auf dem Programm (siehe ).