In einer der bislang umfassendsten genetischen Asthmastudien konnten mehrere genetische Risikofaktoren identifiziert werden, die der Lungenerkrankung Asthma bronchiale Vorschub leisten. In dieser so genannten GABRIEL-Studie - einem Projekt der EU, dem 164 Wissenschaftler aus 19 Ländern angehören – haben mehr als 10.000 Asthmatiker und 16.000 gesunde Probanden teilgenommen, wobei insgesamt mehr als 15 Milliarden individuelle genetische Tests durchgeführt wurden, die alle Gene des menschlichen Genoms abdecken (siehe New England Journal of Medicine, Online-Vorabveröffentlichung am 23. September 2010).
Einige der nun identifizierten Risiko-Gene für Asthma helfen dabei, das Immunsystem auf Schäden in den Schleimhäuten, die die Atemwege auskleiden, aufmerksam zu machen. Andere Gene kontrollieren möglicherweise, in welchem Umfang die geschädigten Atemwege repariert werden. „Unsere nächste große Aufgabe wird sein, die Ursachen der Schleimhautdefekte zu entschlüsseln“, erläutert Prof. Erika von Mutius, Medizinerin an der LMU und Ko-Koordinatorin von GABRIEL.
Das Forscherteam untersuchte auch Gene, die die Produktion von Allergie erzeugenden Antikörpern, dem Immunglobulin E oder IgE, regulieren. Anders als erwartet, trugen diese Gene aber nicht zum Asthma bei, und die Asthma-Gene hatten auch kaum Einfluss auf das IgE. Damit dürften Allergien, die oft gemeinsam mit Asthma auftreten, wohl eher eine Konsequenz dieser Erkrankung als deren Ursache sein. Die Studie zeigte zudem, dass die genetischen Effekte bei Erwachsenen schwächer ausgeprägt sind. So zeigte das für kindliche Asthmatiker wichtigste Gen namens ORMDL3/GSDMB keine Auswirkung bei Patienten, die Asthma erst im Erwachsenenalter entwickelten.
Nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen spielen die neu identifizierten Gene bei mehr als einem Drittel der kindlichen Asthmatiker eine Rolle – besonders ausgeprägt ist dies bei schweren Fällen. Die Forscher vermuten daher, dass sich diese Gene als Zielobjekte eignen für effektivere Therapien als sie bisher zur Verfügung stehen. Trotz der neuen Erkenntnisse ließe sich mit Hilfe genetischer Tests allerdings kaum vorhersagen, welche Kinder später im Leben zu Asthmatikern werden, so die Wissenschaftler.
Dies unterstreicht einmal mehr, dass umweltbedingte Faktoren ebenfalls maßgeblich zu einer Asthma-Erkrankung beitragen. Das GABRIEL-Team konzentriert sich in erster Linie darauf, Umweltfaktoren zu identifizieren, die sich schützend auswirken können. „Solche protektiven Effekte beobachten wir besonders stark bei Kindern, die auf Bauernhöfen aufwachsen“, berichtet von Mutius. „Unser Fokus liegt deshalb auf Faktoren, die in dieser Umgebung zum Tragen kommen. Nächstes Jahr wollen wir die Ergebnisse aus den GABRIEL-Studien zu genetischen und umweltbedingten Faktoren zusammenführen und sind sehr gespannt auf die Resultate.“