Lungenärzte im Netz

Ihre Experten für gesunde Atemwege

Herausgeber:

Antientzündliches Prinzip wirkt auch gegen Lungenkrebs und Emphysem

Der Entzündungsbotenstoff Interleukin-6 (IL-6) treibt auch die Entwicklung zweier Lungenkrankheiten (Lungenkrebs und Lungenemphysem) an, die bisher nicht als Entzündungskrankheiten galten. Das berichten Forscher aus Kiel und Australien.

Weder Lungenkrebs noch Lungenemphysem gelten bisher als Entzündungskrankheiten. Tatsächlich spielen jedoch auch hier Entzündungsprozesse eine Rolle, die unter anderem auch bei der Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Rheuma relevant sind. Das haben Studien der Arbeitsgruppe von Prof. Brendan Jenkins, Hudson Institute of Medical Research (Australien) in Kooperation mit dem Kieler Biochemiker Prof. Stefan Rose-John vom schleswig-holsteinischen Exzellenzcluster Entzündungsforschung ergeben. Anhand von Tiermodellen konnte nachgewiesen werden, dass der Entzündungsbotenstoff Interleukin-6 (IL-6) die Entwicklung beider Lungenkrankheiten antreibt (siehe American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, Online-Vorabveröffentlichug am 2.7.2016).

Vermittelt wird dies über den löslichen IL-6-Rezeptor mit einem besonderen Signalweg, dem sogenannten IL-6-Trans-Signaling, wie die Versuche zeigten. Gleichzeitig gelang es mit einem Hemmstoff des IL-6-Trans-Signalings den krankhaften Prozess aufzuhalten. Diese Ergebnisse eröffnen neue therapeutische Optionen, davon ist Prof. Stefan Rose-John überzeugt: „Das ist wirklich spektakulär. Ich bin sicher, es lohnt sich, das weiterzuentwickeln.“

Interleukin-6 (IL-6) wirkt prinzipiell über zwei unterschiedliche Signalwege. Beim klassischen Weg dockt IL-6 an seinen Rezeptor an, der in der Zellmembran gebunden ist. Dieser Komplex bindet an ein wichtiges, weitervermittelndes Glucoprotein (gp130) und löst damit das Signal zur Aktivierung des Immunsystems aus. Dieser Signalweg ist auf Zellen beschränkt, die einen membrangebundenen IL-6-Rezeptor tragen. Das betrifft nur wenige Zelltypen, vor allem Immunzellen und Leberzellen. Trotzdem können auch andere Zellen auf das Signal von IL-6 reagieren. Dazu bindet das IL-6 an einen löslichen IL-6-Rezeptor, der im Blut und im entzündeten Gewebe vorkommt. Dieser zweite Signalweg, das so genannte Trans-Signaling, ist maßgeblich für krankhafte Entzündungsprozesse. Ein von außen zugeführtes Designerprotein (sgp130Fc) fängt den löslichen Komplex weg, so dass kein Trans-Signaling ausgelöst wird.

Das Designerprotein sgp130Fc ist ein potenter Hemmstoff des IL-6-Trans-Signalings. Es imitiert das natürlicherweise im Blut vorkommende gp130. Durch Verknüpfung von jeweils zwei gp130-Molekülen ist es allerdings wesentlich wirksamer als das natürliche lösliche Protein. Es fängt zusammen mit dem löslichen IL-6-Rezeptor Interleukin-6 im Blut ab. Der Komplex kann somit nicht an das membranständige gp130 binden und kein Trans-Signaling auslösen. Dadurch wird die Entzündung gehemmt.

Das Designerprotein sgp130Fc wurde am Biochemischen Institut der Kieler Universität unter Leitung von Stefan Rose-John entwickelt und wird derzeit als Therapeutikum für Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen klinisch erprobt. Das Besondere am Designerprotein sgp130Fc: Es hemmt nicht grundsätzlich alle Funktionen von IL-6, sondern schaltet nur das Trans-Signaling ab, das eine chronische Entzündung auslöst und unterstützt. Andere wichtige Funktionen von Interleukin-6 in der Immunabwehr, im Stoffwechsel und bei der Leberregeneration bleiben weitgehend unberührt. Damit unterscheidet es sich von Molekülen, die Interleukin-6 komplett hemmen - wie zum Beispiel der Wirkstoff Tocilizumab, der in der Rheumatherapie eingesetzt wird.

Die jetzt vorliegenden Studien zeigen, dass das Designerprotein sgp130Fc prinzipiell auch eine Option für die Therapie von Menschen mit bestimmten Lungenkrebserkrankungen (KRAS-Gen-Mutationen) oder mit Emphysem ist. Ziel dieser aktuellen und anderer Studien ist es, weitere Krankheitsbilder zu identifizieren, in denen der Entzündungsbotenstoff IL-6 involviert ist. In bisherigen Untersuchungen zu Entzündungen von Darm und Gelenken sowie dem Wachstum von Krebszellen hat sich herauskristallisiert, dass die krankmachenden Wirkungen von Interleukin 6 vor allem via IL-6-Transsignaling vermittelt werden. Dies bestätigen nun auch Jenkins’ Studien zu Lungenkrebs und Emphysem. „Trans-Signaling und IL-6 haben sehr bedeutende Wirkungen auf die Lungenerkrankungen. Sie sind die führenden Regulatoren und können über das Designerprotein sgp130FC gezielt beeinflusst werden“, erklärt der australische Immunologe, den die enge Verknüpfung der beiden sehr unterschiedlichen Lungenerkrankungen überrascht hat. Charakteristisch für das Lungenemphysem ist der Verlust von Lungengewebe, während für Lungenkrebs unkontrolliertes Gewebewachstum kennzeichnend ist.

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel