Ein gezielter und intelligenter Antibiotikaeinsatz kann Bakterien-Resistenzen mindern. Als Alexander Fleming im Jahr 1928 das Penicillin entdeckte, schien das Bekämpfen von bakteriellen Infektionen plötzlich ganz einfach. Heute, am Anfang des 21. Jahrhunderts, sieht das anders aus: Viele Bakterienstämme haben sich zu resistenten Erregern entwickelt, sie sind also unempfindlich gegenüber standardmäßig eingesetzten Antibiotika geworden. Resistenzen entstehen etwa, wenn Patienten Antibiotika übermäßig oder gar unnötig verwenden oder die Einnahme zu früh abbrechen. Ähnliches gilt für die Antibiotikaanwendung in der Tiermast.
Um gegen resistente Erreger vorzugehen, entwickeln Forscher verschiedene Strategien. Eine beruht darauf, dass die Resistenz eines Bakteriums gegen ein bestimmtes Antibiotikum seine Empfindlichkeit gegenüber einem anderen steigert – die Konsequenz ist die abwechselnde Gabe dieser zwei Antibiotika. Andere Wirkstoffe unterbinden die Kommunikation zwischen Bakterien und verhindern so eine Infektion. Eine weitere Methode, die in der Sowjetunion verbreitet war, sind Phagen. Diese Viren infizieren die Bakterien, die dann absterben.
Täglich infizieren sich Menschen mit teilweise resistenten und gleichzeitig lebensgefährlichen Keimen im Krankenhaus. Der Anteil der Bakterien, die gegen Breitspektrum-Antibiotika unempfindlich sind, habe in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen, warnen Infektiologen. Eine neue Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften soll die Verbreitung resistenter Keime jetzt aufhalten. Sie gibt Empfehlungen, die in anderen Ländern, wie den USA, den Niederlanden oder Schweden längst Standard sind.
Mit der neuen Leitlinie wollen Infektiologen und Mikrobiologen Ärzte in Krankenhäusern beim sachgemäßen Umgang mit Antibiotika unterstützen. Die Grundlage ihrer Empfehlung ist die Bildung eines interdisziplinären Antibiotic Stewardship (ABS) Teams, wie es zum Beispiel in den USA bereits etabliert ist. Dem Team sollen ein Infektiologe, ein Fachapotheker sowie Fachärzte für Mikrobiologie und der Hygieneverantwortliche des Krankenhauses angehören. Diese Teams erstellen lokal umsetzbare Leitlinien zum Antibiotikaeinsatz im Haus und sorgen für die Aufklärung und Fortbildung des Krankenhauspersonals. Zusätzlich erheben sie Daten und Statistiken zum Antibiotikaverbrauch sowie zu Infektionen und Resistenzentwicklungen in deutschen Kliniken. „Oft genug kommt es vor, dass Ärzte selbst Patienten mit einer Erkältung gleich ein Breitspektrum-Antibiotikum verschreiben“, erklärt Prof. Dr. med. Winfried Kern, Initiator der Leitlinie, die interdisziplinär mit Kollegen aus Deutschland und Österreich erstellt wurde. Das sei unnötig, denn eine solche Behandlung begünstige nicht nur die Entwicklung resistenter Keime, sondern gefährde auch das Wohl des Patienten. „Ursachen für die zunehmenden Resistenzen liegen auch im großflächigen Antibiotikaeinsatz in der Tiermast und dem leichtfertigen Gebrauch in Human- und Veterinärmedizin“, so der Leitende Arzt der Abteilung Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg.
Strategien zur Resistenzbekämpfung sind die Verkürzung der Therapiedauer, die Optimierung der Dosis und die frühe gezielte Behandlung, das heißt der Wechsel vom Breitspektrum-Präparat zu erregerspezifischen Wirkstoffen. Hierzu ist vor allem in den Krankenhäusern mehr erfahrenes und geschultes Personal nötig. Viele Infektionen sind heute so komplex, dass ohne spezielle Expertise am Krankenbett und ohne detaillierte Laborbefunde eine optimale Behandlung nicht mehr gewährleistet werden kann. Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge stieg der Anteil der Erreger, die gegen alle Breitspektrum-Antibiotika unempfindlich sind, in den letzten fünf Jahren um 50 bis 200 Prozent. Problematisch ist jedoch auch der Anstieg von Antibiotika-Resistenzen bei ambulanten Patienten. „Zusätzlich steht die Forschung auf dem Gebiet der Neuentwicklung still“, beklagt Prof. Kern. Seit fast 30 Jahren wurde keine neue Wirkstoffklasse mehr entdeckt und bis zur Anwendung weiterentwickelt. Eine bessere Unterstützung durch Forschungsförderungen wäre wünschenswert, um Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet voranzutreiben.
Quellen:
- Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen
- Medizinischen Fachgesellschaften