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Alpha-1-Antitrypsin-Mangel – eine seltene Erkrankung

Anlässlich des Tages der seltenen Erkrankungen am 28. Februar 2010 wurde auch auf den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AAT) aufmerksam gemacht, einer seltenen, erblichen Lungenerkrankung.

Kurzatmigkeit oder Luftnot schon bei geringer körperlicher Anstrengung sind nicht immer nur ein Zeichen mangelnder Kondition oder altersbedingt. Solche Beschwerden können auch auf eine relativ seltene Lungenerkrankung hinweisen: den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel. Diese Erbkrankheit, die bei schwerer Ausprägung das Lungengewebe irreversibel schädigen kann, ist wenig bekannt und wird deshalb auch selten diagnostiziert. In Deutschland haben vermutlich mehr als 10.000 Menschen einen schweren Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, jedoch wird dieser bei nur 10 bis 15 Prozent der Betroffenen auch erkannt. Im Mittel wird die Diagnose erst nach fünf Jahren gestellt und nachdem Patienten sieben Ärzte aufgesucht haben. In dieser Zeit kann Lungengewebe durch das unbehandelte Fortschreiten der Erkrankung unwiederbringlich verloren gehen.

Aufklärung ist daher sehr wichtig, wie Prof. Dr. Roland Buhl, Leiter des Schwerpunktes Pneumologie am Universitätsklinikum Mainz, betont. Der Lungenspezialist will über diese seltene Erkrankung informieren, denn die frühe Diagnose und eine adäquate Therapie sind von größter Bedeutung, um die Progression der Krankheit zu verlangsamen und die Funktion der Lunge länger zu erhalten.

Was ist Alpha-1-Antitrypsin-Mangel?

Darunter versteht man eine verminderte Konzentration des Eiweißes Alpha-1-Antitrypsin (AAT) im Blut, dessen Aufgabe es ist, unter anderem die empfindlichen Lungenbläschen vor der Zerstörung durch aggressive, von Abwehrzellen gebildeten Enzymen zu schützen. Solche Abwehrzellen sind in der Lunge beispielsweise bei Zigarettenrauchern oder Infektionen vermehrt vorhanden. Alpha-1-Antitrypsin wird vorwiegend in der Leber gebildet. Wenn zuwenig Alpha-1-Antitrypsin vorhanden ist, überwiegen die Protein abbauenden Enzyme (z. B. Trypsin), und es kann zu schweren Organschäden kommen. Alpha-1-Antitrypsinmangel ist die häufigste genetisch bedingte Ursache von Lungenemphysemen bei Erwachsenen und Lebererkrankungen bei Kindern.

Inwieweit ist AAT-Mangel vererbbar?

Der Alpha-1-AT-Mangel beruht auf einer genetisch bedingten Störung und wird autosomal-kodominant vererbt, d.h. Betroffene bekommen von beiden Eltern je eine krankhafte Erbanlage vererbt. Der Körper ist durch den Gendefekt nicht in der Lage, ausreichend Alpha-1-Antitrypsin zu produzieren. AAT-Mangel kann auch durch äußerlich gesunde Eltern, die jedoch die genetische Veranlagung (Genotyp) besitzen, an die Nachkommen weitergegeben werden. Daher sollten sich Menschen, in deren Familie bereits ein AAT-Mangel festgestellt worden ist, auf jeden Fall testen lassen. Das Ausbrechen der Krankheit und die Entwicklung des Lungenemphysems hängen jedoch nicht nur vom Genotyp ab. Eine Reihe weiterer Faktoren hat Einfluss darauf, ob und wie schwer man erkrankt. Insbesondere bei Betroffenen, die Zigaretten rauchen, ist das Risiko für das Auftreten eines Lungenemphysems bereits im mittleren Lebensalter stark erhöht.

Woran merken Betroffene, dass bei ihnen möglicherweise ein AAT-Mangel vorliegt?

Symptome, die auf einen AAT-Mangel hinweisen können, sind Luftnot und Kurzatmigkeit schon bei eher geringer bis moderater körperlicher Belastung (z.B. Treppensteigen, Gehen bergauf). Des weiteren entwickelt sich frühzeitig ein Lungenemphysem, also eine fortschreitende Zerstörung der Lungenbläschen, oft schon zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Da solche Beschwerden auch bei Bronchitis, Asthma sowie chronischer Raucherbronchitis (COPD) auftreten können, werden Betroffene häufig lange nicht als AATM-Patienten erkannt.

Wie wird AAT-Mangel diagnostiziert und behandelt?

Im Mittel dauert es fünf Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Das bedeutet meist einen langen Leidensweg für den Patienten. Wird dagegen an einen AAT-Mangel gedacht, kann eine einfache Laboruntersuchung schnell Gewissheit schaffen: die Diagnose des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels über die Untersuchung einer Blutprobe. Wenn in dieser Analyse der Blutspiegel von Alpha-1-Antitrypsin einen bestimmten Grenzwert unterschreitet, wird durch einen weiteren genetischen Test die Erbkrankheit eindeutig diagnostiziert. Die regelmäßige Behandlung mit Alpha-1-Antitrypsin kann dann das Fortschreiten der Erkrankung und damit die Zerstörung des Lungengewebes vermindern. Darüber hinaus können bronchienerweiternde sowie entzündungshemmende Medikamente helfen, die Symptomatik zu lindern.

Wie sieht ein Leben mit AAT-Mangel aus?

Wird ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel festgestellt, sollten Betroffene einige Richtlinien befolgen: Es gilt eine strikte Zigarettenabstinenz, denn bei voller Ausprägung der Erkrankung leben Nichtraucher durchschnittlich zehn bis 15 Jahre länger. Die Patienten sollten regelmäßig Sport treiben, auf eiweiß- und vitaminreiche Ernährung achten, sowie Luftschadstoffe am Arbeitsplatz, aber auch in der Freizeit konsequent meiden. Selbsthilfegruppen können Betroffenen ebenfalls helfen, ihr Leben trotz Einschränkungen aktiv zu gestalten.