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Allergisch auf Bakteriengift?

Schweres Asthma ist möglicherweise häufig die Folge einer Besiedelung von Staphylokokken, auf die der menschliche Körper mit der Bildung von Antikörpern reagiert. Von diesem bisher nicht bekannten Auslösemechanismus für besonders schwere Asthmaformen gehen Wissenschaftler aus Belgien und Polen aufgrund ihrer Forschungserkenntnisse aus.

Besonders schweres Asthma wird möglicherweise durch einen bisher nicht bekannten Auslösemechanismus verursacht, der mit einer Besiedlung durch bestimmte Bakterien (Staphylokokken) zusammenhängt, auf die der menschliche Organismus mit der Bildung von allergietypischen IgE-Antikörper reagiert.

Schon lange wird grundsätzlich zwischen allergischem und nichtallergischem Asthma unterschieden. Als ein Prototyp des allergischen Asthmas kann der von Pollen oder Hausstaubmilben ausgelöste, allergische Schnupfen gelten, der mit den Jahren die Atemwege abwärts wandert (Etagenwechsel) und sich mit asthmatypischen Beschwerden - Giemen, Husten, Atemnot - in der Lunge festsetzt. Als nichtallergisch galt bisher ein Asthma, das in der Folge wiederholter Infektionen auftritt. Von dieser nicht-allergischen Asthmaform sind viele Patienten mit schwerster Atemnot betroffen sind, die therapeutisch nur mühsam zu beherrschen ist. Neuerdings gibt es allerdings auch Hinweise, dass unter diesen Patienten ebenfalls einige sind, deren Erkrankung durch allergie-typisches Immunglobulin der Klasse E (IgE) bedingt sein dürfte. Dieses IgE ist nicht nur gegen einzelne, sondern gegen tausende Allergene gerichtet (ein so genannter polyklonaler Antikörper). Das erklärt, warum manchen Asthma-Patienten mit Standardmedikamenten nur ungenügend geholfen werden kann.

Wissenschaftler aus Lodzs (Polen) und Gent (Belgien) konnten nun in einer Studie (siehe Allergy 2011, Band 66/1, Seite 32–38) nachweisen, dass Patienten mit schwerem Asthma, das nur mühsam therapierbar ist (severe refractory asthma = SRA), häufig hohe Titer von IgE-Antikörpern gegen Staphylokokken-Toxine im Blut haben. Sie müssen also eine Infektion mit den Eitererregern (Staphylococcus aureus) durchgemacht und auf deren Giftstoffe (Enterotoxine) mit der Bildung von IgE-Antikörpern reagiert haben, die als die typischen Allergie-Marker gelten. Besonders deutlich war das Zusammentreffen von SRA und polyklonalem IgE bei Frauen ausgeprägt sowie bei Menschen, die schon als Kinder eine typische Asthma-Atemnot zeigten, und bei Patienten, die überempfindlich auf Aspirin reagieren.

Damit ist zwar der ursächliche Zusammenhang einer Staphylokokken-Infektion mit einem späteren, schweren Asthma noch nicht bewiesen. Die Indizien seien allerdings bedeutsam, meint Prof. Claus Bachert, in Gent an der Studie beteiligt und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI): „Wir können die Wirkung der Staphylokokken im Tiermodell nachahmen, und wir können die Freisetzung der Bakteriengifte (Toxine) im Gewebe aufzeigen - allerdings müssen wir noch zeigen, dass mit dem Wegfangen der Toxine die Krankheit verschwindet.“

In einer früheren Arbeit hatte Bachert von Patienten mit schwerem Asthma berichtet, die mit Staphylokokken besiedelte Polypen und hohe IgE-Titer aufwiesen. Ihnen half schließlich eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern gegen IgE - wie sie bei schweren Allergien ebenfalls angewendet wird. Diese - sehr teuren - Antikörper binden das IgE und verhindern dadurch, dass im Körper eine biochemische Kaskade ausgelöst wird, die zu einem Asthma-Anfall führt. Eine therapeutische Alternative für SRA-Patienten sind ansonsten Glukokortikoide (Kortison) und im akuten Anfall Beta-2-Mimetika, die eine Erweiterung der Bronchien erreichen. Diese Therapie stößt bei manchen Patienten dennoch an Grenzen. Das Ausmaß ihrer Atemnot dürfte zu den quälendsten Krankheitsformen überhaupt gehören. Bachert sieht aufgrund der neuen Erkenntnisse Chancen, diesen Menschen in Zukunft besser helfen zu können: „Bei Patienten mit besonders schweren Atemwegserkrankungen können die Anti-IgE-Antikörper möglicherweise auch dann angewendet werden, wenn keine herkömmliche Allergie vorliegt, sondern das durch Staphylokokken verursachte Krankheitsbild, wie wir es in unserer Studie gesehen haben.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI)