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Ältere wehren Grippeviren verlangsamt ab

An der Grippe erkranken besonders ältere Menschen häufig und leiden meist länger unter den Symptomen als jüngere. Warum, war bisher unklar. Forscher am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben nun einen möglichen Grund gefunden: Das Grippevirus vermehrt sich in älteren Menschen so langsam, dass ihr Immunsystem die Erkrankung zu spät erkennt.

Mit zunehmendem Alter leiden Menschen - aber auch Mäuse - bei einer Grippeerkrankung meist länger unter den Symptomen. Bisher nahm die Fachwelt an, dass dieses Phänomen auf einer geschwächten Immunantwort beruht, die der Infektion bessere Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Die Abteilung System-Immunologie des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) unter der Leitung von Prof. Michael Meyer-Hermann hat nun aber gemeinsam mit Kollegen aus den USA ein mathematisches Modell aufgestellt, das eine andere Ursache nahelegt: Eine Verschiebung im Gleichgewicht der Botenstoffe des Immunsystems in älteren Menschen verändert die Zellen, die dem Grippevirus als Wirt dienen (siehe Journal of Virology, Online-Vorabveröffentlichung am 29.1.14).

In dem mathematischen Modell wird unter anderem die Vermehrung des Virus in den Epithelzellen der Lunge beschrieben. Diese Wirtszellen können sich unter dem Einfluss bestimmter Botenstoffe (so genannter Zytokine) verändern und werden gegen das Virus resistenter als die Wirtszellen in der jüngeren Bevölkerung. Dadurch wird die Vermehrung des Virus gebremst. Die dafür verantwortlichen Zytokine liegen bei älteren Patienten in einer höheren Grundkonzentration vor. Dieses Phänomen nennen die Forscher „Inflammaging“ - von „Inflammation“ und „Aging“, den englischen Wörtern für Entzündung und Alterung. „Den größten Unterschied der Zytokin-Pegel zwischen den verschiedenen Altersklassen beobachten wir in den ersten 24 Stunden nach der Infektion“, sagt Dr. Esteban Hernandez-Vargas, einer der beteiligten Wissenschaftler vom HZI. „Die späteren Unterschiede sind im Wesentlichen eine Auswirkung dieser frühen Unterschiede“, ergänzt Sebastian Binder aus der Abteilung System-Immunologie.

So vermehrt sich das Virus in älteren Menschen langsamer. Die damit einhergehende niedrigere Anregung des Immunsystems verlangsamt die Abwehrreaktion durch die Zellen des Immunsystems. Was zunächst paradox klingt, ergibt bei genauerer Betrachtung Sinn: Nur wenn eine gewisse Reizschwelle überschritten wird, schreitet die Immunabwehr mit ganzer Kraft ein und bekämpft die Erkrankung zügig. Anderenfalls bleibt die Infektion bestehen. „Um schnell wieder gesund zu werden, muss man also zunächst schwerer erkranken“, sagt Meyer-Hermann.

Auf Basis dieser Erkenntnisse suchen die Forscher nun nach Wegen, um in das Infektionsgeschehen bei Grippe einzugreifen. Ein Ansatz dafür wäre eine Therapie, die das veränderte Gleichgewicht der Zytokine berücksichtigt und gegebenenfalls korrigiert. Wie man das umsetzen kann, wollen Meyer-Hermann und seine Kollegen als nächstes untersuchen.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)